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Der Heilige Gral und die Krone Luzifers

30. Sept. 2024 | Von: Stefan Brönnle | Kategorien: Mythen, Symbole | 0 Kommentare

Ein strahlender Engel mit Krone, aus der ein Edelstein auf die Erde fällt
Wir haben die Wurzeln des Heiligen Grals in dieser Reihe in verschiedenen mythologischen Objekten und deren Besitzern wiedererkannt. Z.B.

Viele der dort genannten Aspekte tauchen auch im Mythos um den heiligen Gral wieder auf. Darauf wurde mehrfach hingewiesen:

Wird in Wolfram von Eschenbachs Parzival der Heilige Gral im Saal der Gralsritter gezeigt, so ist es nicht nur dem Fischerkönig (Anfortas = Ohne Kraft) versagt, zu sterben, obwohl er an einer schweren Wunde leidet, die unheilbar ist, die Tische der Gralsritter füllen sich auch mit den köstlichsten Speisen. Der Gral nährt und schenkt das Leben, so wie der Kessel des Dagda, das Füllhorn, oder die Schale der Cerridwen.

Getragen darf der Gral nur von der Gralskönigin werden – bei Wolfram von Eschenbach „Repanse de Schoye“, was übersetzt „Bringerin der Freude“ bedeutet. Ebenso sind die meisten gralsartigen Kultgefäße von Frauen behütet, außer bei Dagda, der aber ein Kind der Großen Göttin Dana ist.

Repanse de Schoye hieß,
Von der der Gral sich tragen ließ.
Der Gral war von solcher Art:
Sie hat das Herz sich rein bewahrt,
Der man gönnt des Grals zu pflegen:
Sie durfte keine Falschheit hegen

Für Parzival selbst ist der Gral – ohne dass er es zu Beginn ahnt – Lebensziel und Schicksal. Der Gral führt ihn gleichsam durch die Abenteuer und erhebt ihn dabei schrittweise zum göttlichen Menschen, dem „Gralskönig“. Dabei durchlebt Parzival gleichsam einen Prozess aus Schuld und Sühne an der dreifachen Göttin, die in den drei Frauengestalten Jeschute (Rot), Sigune (Schwarz) und Kunneware (Weiß) symbolisiert wird. Wie ähnlich wirken da die drei Schicksalsgöttinnen, die Nornen, die den Schicksalsbrunnen (Urdbrunnen) pflegen und dem Menschen sein Schicksal zeigen und zuweisen!

Doch was ist der Gral? Wolfram von Eschenbach beschreibt ihn nicht näher in Form, Struktur und Farbe. Er ist schlicht „der Gral“. Doch in der Vorgeschichte des Mythos erfahren wir bei Wolfram von Eschenbach: Bei der Auflehnung Luzifers gegen Gott und dem anschließenden Kampf, an dessen Ende Luzifer aus dem Himmel gestoßen wird, hätte sich ein Edelstein aus der Krone Luzifers gelöst und sei auf die Erde gefallen und dieser Stein sei der Gral. Wie absonderlich! Ausgerechnet ein Stein aus der Krone des entthronten Engels (und späteren Höllenfürsten) soll das Wunderobjekt sein?

Luzifer - Lichtbringerin, so nannten die Römer einst die Venus als Morgenstern, weil sie das Licht des Tages brachte. Luzifer war hell und strahlend wie die Venus. Damit stammt der Gral wiederum von der weiblichen Kraft, die verteufelt wird.

Doch erkennen wir gleichsam darin auch den Inkarnationsimpuls. Wie die Seele in die Welt stürzt, fällt der Gral auf die Erde. Der Gral ist hiermit ein Objekt, das einst im Himmel (Obere Welt) weilte und beim Sturz der Engel in die Hölle (untere Welt) zu uns auf Erden gelangte (mittlere Welt). Der Gral vollzieht damit die Weltenachse, die Axis mundi nach, ja, wird gleichsam selbst zu ihr. Der Gral ist Inkarnationsimpuls und strebt gleichsam wieder zurück in himmlische Gefilde. Dies ist auch der Grund, warum er den Menschen erhebt und ihn zum gottgleichen Wesen (Gralskönig) werden lässt. Darin zeigt sich der zweite Aspekt des Grals, Schicksalsbringer und Schicksalsbeweger zu sein.

Frau trägt strahlenden Kelch

Ganz anders überhöhen andere Gralsromane den Gral. Von seiner Wortherkunft hier abgeleitet von z.B. frz. „le Saing-réal ‚das wirkliche Blut“ wird der Gral oftmals zum Kelch Christi, aus dem dieser das letzte Abendmahl zu sich nahm („Dies ist mein Blut….“) und in dem der Mythologie zufolge bei der Kreuzigung Christi auch das Blut desselben aufgefangen worden sein soll. Viel stärker als bei Wolfram von Eschenbach verschieben sich die alten Mythen des Kessels der Göttin zum patriarchal-christlichen Weihegefäß. Hier wird das Blut des Erlösers, des Sonnenheros Christus, zum Bewusstseinsbringer, der vormals durch das uterine Symbol des Urozeans und des Bauchs der Großen Göttin, also der Erde, vertreten war. Der Fokus verschiebt sich von der Erde zur Sonne, von der Paradieswelt Gaias zur paradiesischen Welt eines Vatergottes.

Erhalten bleibt dabei der Weg des Menschen in seinem Inkarnationsprozess, erhalten bleibt die Himmelsleiter oder Weltenachse, die die Bewusstwerdung führt: Der Gral als Seelenimpuls.

Dieser Seelenimpuls wird in die Materie geworfen, so wie das Licht der Wintersonnwende die Tiefen der Erde berührt und eine Saat setzt. Ein ritueller Akt des Bewusstseinsimpulses, der die Heiligkeit der Seele entfacht und diese sich entfalten lässt.

An heiligen Stätten wie dem Odilienberg ist dies besonders gut zu spüren und nachzuempfinden. Hier berührt die Weltenachse die Erde und entfacht das innere Licht, das uns allen inwendig zu eigen ist. Und wieder hütete eine Frau ihn: Die heilige Odilia...


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