Feenbäume - oft ist es der Weißdorn - sind Brücken in die Anderswelt. Hier begegnen sich seelische Wirklichkeit und physische Realität. Als eine solche Begegnungsstätte mit der NichtAlltäglichen Wirklichkeit (NAW) werden die Feenbäume auch zu Wunschbäumen. Sie sind über und über mit Schleifen und Stoffstreifen behängt. Jede Schleife, jeder Stoff-Fetzen steht für einen Wunsch oder eine Art Gebet an die Spirits der anderen Wirklichkeit; ein bis heute aktiv gelebtes Brauchtum in Irland. Der Knoten, mit dem der Stoff am Baum befestigt wird, ist ein uralter Bindezauber (κατάδεσις katádesis): Durch die rituelle Schlaufen- und Knotenbildung wird auch der Wunsch fest mit dem Baum und seinem Geäst verwoben. Die symbolische Handlung wird zur Manifestation der Bindung des Wunsches an der heiligen Schwelle zum Göttlichen.
Der Weißdorn gilt insbesondere als ein solches Schwellenportal in die Anderswelt. Das älteste Zeugnis über den Weißdorn, ist ein hetithisches Gebet (1500 v.Chr.): »Du bist der Weißdornstrauch; Im Frühling kleidest du dich weiß, zur Zeit der Ernte aber kleidest du dich blutrot. Dem Schaf, das unter dir hinweggeht, rupfst du das Fell. So ziehe auch von diesem Opfer, Das durch das Tor [deiner Hecke] geht, Böses, Unreines und den Zorn der Götter weg.«
Seit über 3500 Jahren werden somit am Weißdorn Opfergaben für die Ahnen, die Götter und die Spirits der Natur dargebracht. Weil er an Beltane erblühte, wurde er auch „Brautkleid der Göttin" genannt und war vor allem der keltischen Lichtgöttin Áine geweiht. Der keltische Zauberer Merlin wurde unter einem Weißdorn von der Fee Viviane in Schlaf versetzt, nachdem sie ihm seine Geheimnisse entlockt hatte. Auch Odin stach Brunhilde mit dem Weißdorn, worauf diese in einen Zauberschlaf fiel. Die Pflanze ist ein Schwellenhüter zwischen Dies- und Jenseits, zwischen Wachen und Schlafen. Die Pflanze ist ein wahrer Herzöffner.
Einige der Wünsche und Gebete, die meist über Stoffstreifen im Geäst befestigt werden, sind ganz persönlicher Natur, andere sind kollektive Segens- und Friedenswünsche, manche Gaben sind Plastik-Kitsch, andere wertvolle Handarbeit und wieder andere Opfernde gaben schlicht Geld. Doch stets kommt es von Herzen wie man bei der Berührung jedes der Opferobjekte spürt. Niemand nimmt das Geld, niemand bereichert sich an den Gaben.
So wird der Baum zu einem Weltenbaum, der unsere Realität mit dem Göttlichen verbindet; sein von der Krone überspannter Raum ist heiliger Raum.
Die Beziehung zu Feenbäumen in Irland spricht von einer Zeit als Mensch und Natur noch innig verbunden waren und die Besonderheit eines Ortes in unseren Herzen gegenwärtig war.
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Bilder © Stefan Brönnle
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