Jahrtausendelang wurden in nahezu allen Kulturen der Welt die Sonnwenden gefeiert. Sie bestimmten den Rhythmus des Jahreszyklus mit, gaben Vorgaben für Aussaaten und Ernten und hatten einen tiefen Einfluss auf die Mythologie und Religion der Kulturen. Doch wie wurden die Zeitpunkte der Sonnwenden bestimmt?
Viele Tausend Jahre lang war die Beobachtung das einzige Messinstrument unserer Ahnen: Nahe den Polarkreisen war z.B. die Wintersonnwende jener Tag, an dem es keinen Sonnenaufgang gab und die Sommersonnwende jener Tag ohne Sonnenuntergang (Mitternachtssonne oder „Weiße Nacht"). In unseren Breiten gab es jedoch solche Marker nicht. Man beobachtete schlicht die Sonnenauf- und untergangspunkte am Horizont. Am Frühlingsbeginn geht die Sonne exakt im Osten auf und im Westen unter, am Herbstbeginn (Tagundnachgleichen) ebenso. Solche Tage waren über den sogenannten „indischen Kreis" mittels eines Stabes und seines Schattenwurfs leicht zu bestimmen. Von der Frühjahrs-Tag-und-Nacht-Gleiche an geht nun die Sonne mit jedem Tag weiter im Norden auf und unter. Zur Sommersonnwende erreichen die Auf- und Unterganspunkte am Horizont ihr nördlichstes Extrem. Von einem festen Beobachtungsstandort aus, der oft auch als heiliger Ort verehrt wurde, gab es an diesen Stellen natürliche Landschaftsmarken (Bergkuppen) oder künstliche Marker (heute oft Kirchen) am Horizont. Die Sonne ging also über dem Marker am Horizont auf. Nun scheint die Sonne mit ihrem Aufgangspunkt 3 Tage lang stillzustehen. Der lateinische Name der Sonnwende ist solstitium, was „Stillstand der Sonne" heißt. Ebenso zur Wintersonnwende.
Der Tag der Sonnwenden war also durch Beobachtung über mehrere Jahre leicht zu bestimmen. Der genaue Moment im heutigen astronomischen Sinne war aber so nicht bestimmbar. Deshalb wurde die Sonnwende in der Regel mit dem Sonnenaufgang oder auch dem Sonnenuntergang gefeiert. Große Feuer wurden in der Dämmerung entzündet und die wärmende Kraft der Sonne so physisch ins Land geholt. Viele der damit einhergehenden Bräuche gibt es bis heute.
Doch heute kann man in Kalendern oft die genaue Uhrzeit der Sonnwende nachlesen. Wie ist das möglich und was ist damit gemeint?
Dazu
müssen wir für einen Moment aus der Erdbeobachtung der Sonne
(Geozentrik) hinaus ins All wechseln (Heliozentrik). Die genaue
Definition der astronomischen Sonnwende lautet: Die Sonnwenden sind jene Zeitpunkte, an denen die scheinbare geozentrische ekliptikale Länge der Sonne 90o oder 270o beträgt. Seit der Frühjahrs-Tagundnachtgleiche ist die Erde um einen Viertelkreis auf ihrer Bahn um die Sonne weitergewandert (90o= Sommersonnwende), bzw. um einen Dreiviertelkreis zur Wintersonnwende (=270o).
Von einem fikitiven Beobachter aus, der im Erdmittelpunkt steht, zum
Mittelpunkt der Sonne gesehen, kann man diesen Zeitpunkt bis auf die
Minute exakt bestimmen. Der Zeitpunkt ist also global – unabhängig vom
Standort des realen Beobachters – gleichzeitig, nach lokaler Uhrzeit
jedoch zu verschiedenen Zeitpunkten.
2018 ist der Zeitpunkt der SSW am 21. Juni
um 12:07 Mitteleuropäischer Sommerzeit (nahezu Mittag) und die
Wintersonnwende am 21. Dezember um 23:23 Mitteleuropäischer Zeit (nahezu
Mitternacht).
2019 ist der Zeitpunkt der SSW am
21. Juni um 17:54 Mitteleuropäischer Sommerzeit und die Wintersonnwende
am 22. Dezember um 05:19 Mitteleuropäischer Zeit.
2020
ist der Zeitpunkt der SSW am 20. Juni um 23:44 Mitteleuropäischer
Sommerzeit und die Wintersonnwende am 21. Dezember um 11:02
Mitteleuropäischer Zeit und 2022 wieder am 21. Juni und 21. Dezember.
Geometrisch betrachtet sind an den
Sonnwenden, da die Erdachse geneigt ist, die Winkel zwischen der Linie
Sonnenmittelpunkt-Erdmittelpunkt und der Linie der Erdachse extrem. Ist
der Extremwinkel minimal, haben wir hier in Europa Sommersonnwende, ist
er maximal, haben wir Wintersonnwende und an den Tagundnachgleichen ist
der Winkel genau 90o.
Sowohl planetar-geometrisch, als
auch durch den „Stillstand der Sonne" mythologisch, als auch
heliozentrisch-astronomisch und geozentrisch in der Horizontbeobachtung
stellen die Sonnwenden daher bis heute wichtige Ereignisse im
Erdenjahrsrhythmus dar. In Europa ist zur Sommersonwende die Sonne zur
Mittagszeit an ihrem höchsten Jahrespunkt und die Erde in ihre stärkste
Kraft eingetreten. Alles ist fruchtbar und ergiebig. Zur Wintersonnwende
hat sich die Vitalkraft der Erde völlig zurückgezogen und gibt dem
Geistigen Raum.
Auch wenn wir es an unseren Smartphones verdrängen. Die Sonnenwenden sind essenzielle Kräfte in unserem Leben!
Bild Meditation bei Sonnenaufgang © Photocreo Bednarek/ fotolia.com
Bild Sommersonnwende © Peter Hermes Furian/fotolia.com
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