Die Trance, das veränderte Bewusstsein, das in der schamanischen Arbeit angestrebt wird, zeichnet sich aus durch die Gehirnwellen des Theta-Zustandes, die normalerweise kurz vor dem Einschlafen auftreten. Der erwachsene Mensch befindet sich tagsüber meist im Beta-Zustand, in der Entspannung im Alpha-Zustand. Die Trance ermöglicht die Erfahrung, wie wir sie als Kleinkind gemacht haben. Die Welt ist unmittelbar und untrennbar verbunden. Das Jetzt bestimmt die Wahrnehmung, das Zeitempfinden löst sich auf. Die unmittelbare Wahrnehmung wird nicht durch trennende oder herauslösende Fragen und Gedanken unterbrochen.
In der älteren Literatur wurden dafür Begriffe wie „extatische Trance" (Mircea Eliade) geprägt. Im Core-Schamanismus nach Michael Harner wird unterschieden zwischen der schamanischen Reise und der Trance, wobei beides mit fließenden Übergängen ineinander greift und rein von der physiologischen Vorgängen her als Trance benannt wird. Je nach Schule werden diese zwei Begriffe anders verwendet, was der Erfahrung dahinter aber keinen Abbruch tut.
Im Core- Schamanismus ist das Kriterium der Schamanische Reise, das der Reisende in seiner Identität, er selbst, bleibt und begleitet wird von seinen Krafttieren und/oder Lehrer. In der Trance löst sich oft die Persona auf und wird zum Krafttier, zum Berg, zum Wassergeist. Die Methoden, bei der der eigene Körper vom Krafttier eingenommen werden darf, z.B. dem Tiertanz, ist eine Form der Trance.
Die Besessenheitserfahrungen, bei denen Gottheiten im Ritual durch den Schamanen wirken, sind Trancen und Trancetänze. Meistens finden beide Zustände im Wechsel statt.
Im klassischen Core-Schamanismus nach Michael Harner nimmt die Trance wenig Raum ein. Hier wird hauptsächlich schamanisch gereist, d.h. die Persona bleibt auf den Reisen sie selbst. Eine Schülerin vom Harner, Sandra Ingermann, ist mit ihren Studien aber genau an diese Schwelle gestoßen: Sie hat erkannt, dass durch die (von ihr benannten) Transfigurationen viel stärkere heilende Kräfte generiert werden können. Eine Erfahrung, die auch indigene Schamanen nutzen.
Ob jemand eher schamanisch – im Sinne Harners - reist oder die Trance nutzt, ist sicher auch kulturabhängig. Da wir im Westen ein Weltbild haben, durch das wir uns erstmals getrennt von den anderen Kräften und Wesen zu erfahren lernen, erscheint uns die Begegnung mit dem Schamanismus über die schamanische Reise einfacher und sicherer. Die Auflösung der Persona in der Trance erfordert Vertrauen in die Verbündeten, die es zuerst kennenzulernen gilt. Die mittelalterliche Angst vor bösen Geistern vermag es zudem teilweise bis heute, den Zugang zur Trance zu versperrt oder mit Ängsten zu belegen.
Die Schamanische Reise – Der Tanz des Lebens
Die Schamanische Reise – Der Flug des Adlers
Text: Sibylle Krähenbühl
Bild © Stefan Brönnle
[Vorlagen: Mann in Trance Rob Byron/fotolia.com & Wolf im Rauch Fotontwerp/fotolia.com]
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