Die Initiation wird in der Sprachverwendung meist mit einer spirituellen Initiation gleichgesetzt. Grundsätzlich ist damit aber jegliche Art der Einführung gemeint.
Der Begriff leitet sich ab vom lateinischen Initium, was Anfang, Eingang oder Ursprung meint. Das zugehörige Verb initiare (beginnen) lässt sich zurückführen auf das Wort īre, was schlicht gehen bedeutet. in-īre wäre also das Hineingehen, oder eben übertragen anfangen, beginnen. Zugleich kann inīre aber auch das Schüren eines Feuers meinen (irgnis inīre). Bei der Initiation wird man also zum einen schlicht eingeführt oder im übertragenen Sinne das (Seelen-) Feuer entfacht. So meint die Initiation, die meist mit Einweihung eingedeutscht wird, den Übergang von einer Lebensstufe in eine andere.
Die Initiation ist stets von einem Ritual, dem Initiationsritual, begleitet. Grundsätzlich kennt jede Gemeinschaft solche Initiationsrituale, durch die ein Mensch in den Kreis einer Gemeinschaft aufgenommen wird. Manchmal ist damit auch die Weitergabe von sonst nicht zugänglichem Wissen verbunden, aber bei weitem nicht immer. Uns vertraute Initiationsrituale sind die Taufe (heute am Lebensbeginn zelebriert), die den Täufling (gefragt oder nicht) in die christliche Glaubensgemeinschaft aufnimmt; die Firmung oder Konfirmation (= Bekräftigung), die das Gemeinschaftsmitglied als vollwertig anerkennt, usw. Gerade die Initiationen in den Phasen der Lebensübergänge sind so essenziell, das auch nichtreligiöse Gemeinschaften solche Riten vollziehen. Man denke an die Jugendweihe in der DDR. Ethnologisch wird daher unter der Initiation eine Art Reifefeier verstanden.
Im eher spirituellen Sinne kommt die Initiation als „Entfachung des Seelenfeuers" der Einführung in einen neuen Seinszustand gleich. Diese entspricht symbolisch-rituell einer Wiedergeburt. So werden junge Männer höherer Hindukasten dem Upanayana unterzogen. Sie lässt den Initianten zum Dvijati werden, zum „Zweimalgeborenen".
In Papua-Neuguinea ist mit der rituellen Wiedergeburt der zuvor erfahrene rituelle Tod verbunden. Dazu wird der Initiant in eine speziell errichtete Hütte geführt, deren Eingang dem offenen Rachen eines Meeresungeheuers (Barlun) gleicht. In Ceram (Indonesien) wird eine ähnliche Öffnung sogar als „Schlangenrachen" bezeichnet.
Auch bei Mysterienkulten gehörte der rituelle Tod und die Wiedergeburt zu spirituellen Initiationsritualen. Bei den Kybele- und Attiskulten des antiken Griechenlands wurde ein Stier über einem Gitter geschlachtet, so dass das Blut auf die Initianten in der Grube darunter floss. Die Initianten entstiegen der Grube wie aus der Gebärmutter der Erde, mit Blut beschmiert wie ein Neugeborenes.
Auch in Mysteriengemeinschaften wie der Freimaurerei gehört der rituelle Tod und die Wiedergeburt zum spirituellen Initiationsritus dazu.
Die Initiation führt also ein in eine Gemeinschaft oder ein Wissen. Sie bezieht sich immer auf die jeweilige Gruppe oder das jeweilige Wissen. Wer initiieren darf, ist abhängig von den Regeln der jeweiligen Gemeinschaft. Insofern ist es völlig absurd zu behaupten, jemand dürfe eine Initiation nicht vollziehen, weil in einer ANDEREN Gemeinschaft dies so oder so geregelt ist. Dies entspräche der Aussage, ein christlicher Priester dürfe Mädchen nicht die Erstkommunion erteilen, weil beim Volk der Guajajara Tenetehara (Brasilien) die Initiation eines Mädchens nur von einer weiblichen älteren Familienangehörigen (in der Regel die Großmutter) vollzogen werden darf. Ebenso absurd sind daher Aussagen wie „ein Schamane muss von einem Schamanen initiiert werden". Sicher gibt es Beispiele für ein solches Vorgehen, es gibt aber auch die Tradition, dass der Initiant unmittelbar von den Geistern des Landes initiiert wird. Beim Aborigine-Volk der Aranda kann die schamanische Initiation sowohl unmittelbar durch die Geister als auch durch einen Schamanen erfolgen. Oft handelt es sich in unserer Kultur eher um (manchmal romantisierte) Glaubensvorstellungen, wie eine Initiation sein sollte, als um wahrhaftiges Wissen, denn der exakte Inhalt und Ablauf der Initiation, des Initiationsritus und des eventuell übermittelten Wissens ist Teil der jeweiligen Gemeinschaft und deshalb außerhalb dieser in der Regel nicht bekannt.
Streng genommen handelt es sich bei Initiationen auch um Seelenverträge (siehe dazu unseren entsprechenden Beitrag). Man sollte sich daher einer Initiation niemals leichtfertig unterziehen. Umgekehrt darf dies hier nicht als Warnung missverstanden werden, es nicht zu tun! Die Initiation ist eine Schwelle und man sollte das Für und Wider vor dem Schritt abgewägt haben, nicht nur auf der Verstandesebene, sondern gerade bei spirituellen Initiationen vor allem auch auf der Seelenebene: „Ist es das, was ich will und nehme ich dafür die entsprechenden Regeln und Seelenverträge in Kauf?"
Wir brauchen Initiationen. Sie werden stets Bestandteil der menschlichen Kultur sein, da zum Leben auch die Veränderung und damit innere Schwellen gehören, die überschritten werden wollen. Diese werden durch den Initiationsritus bewusst vollzogen und erhalten dadurch Kraft und Unterstützung. Initiierende Mentoren können eine große Hilfe sein, sind aber nicht zwingende Voraussetzung. Manchmal wird dem Menschen in seinem Initiationsprozess auch einfach ein bestimmter ritueller Ablauf mit auf den Weg gegeben und der Initiant vollzieht die Initiation an sich selbst. Die verwendeten Symbole sollten zu Dir passen, sich „richtig" anfühlen. Natürlich darf man die Riten deshalb hinterfragen: Ist es sinnvoll, Babies in einen Glauben zu initiieren? Braucht es tatsächlich den Schmerz (der ohne Frage ein starker Initiationsattraktor ist) für „mein" Initiationsritual? Darf anderen Wesen für die eigene Initiation Leid zugefügt werden (z.B. das Schlachten von Tieren) ? All dies sind Fragen, die der Initiant letztlich für sich selbst beantworten muss und denen er sich ohne Zweifel vor der Initiation stellen sollte. Das vollbewusste spirituelle Initiationsritual kommt tatsächlich einer seelischen Wiedergeburt und damit inneren Wandlung gleich. Äußere Zeichen (bestimmte Kleidung, die getragen werden darf, Mitbestimmung in der Gemeinschaft, die Gemeinschaftserlaubnis, bestimmte Handlungen vollziehen zu dürfen usw.) sind letztlich angesichts dieser inneren Wandlung sekundär.
Initiation Rückkehr zur Erde: Das Portal zu GAIA
Bild Frau mit Trommel © Devian Black/fotolia.com
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Freimauerer-initiation: Gemeinfrei
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