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Von der Urerfahrung zur Religion

29. März 2018 | Von: Stefan Brönnle | Kategorien: Mythen, Symbole, Schamanismus, Wahrnehmung | 0 Kommentare

Links: Reliefstein mit Coyolxauhqui Rechts: Eucharistie

Die spirituellen Mythen sind keine Erfindungen des Menschen, um die Welt erklären zu können, wie so gerne behauptet wird. Es sind Urerfahrungen, die die Menschheit gemacht hat und die noch heute jeder Mensch machen kann. Erst der Versuch, solchen Urerfahrungen Allgemeingültigkeit zu geben führt zu geistigen Konzepten, die dann zu einer Religion gefasst und ggf. zum Dogma werden.

Nehmen wir noch einmal den zentralen Mythos des Christentums als Beispiel: Der geopferte Gott.
Wie schon an anderer Stelle gezeigt, ist dieser Mythos in den verschiedensten Religionen weltweit anzutreffen. Von Tamuz, über Dionysos, bis zu Odin und Quetzalcoatl reichen die Beispiele. Doch betrachten wir die Mythen über den Opfertod der Götter genauer, so erkennen wir ein zentrales schamanisches Ereignis wieder, das nicht nur vor Urzeiten erlebt wurde, sondern das jeder Praktizierende auch heute so zu erleben imstande ist: Die Schamanische Zerstückelung.

Wie bereits an anderer Stelle dargelegt, erlebt der Initiant, dass sein Leib von Geistern, Dämonen, Engeln, Dakinis, oder anderen „göttlichen Wesen" zerteilt und zerstückelt wird, um anschließend wieder neu zusammengesetzt zu werden. Dies ist ein zentrales transformatives Erlebnis, bei dem im Grunde die einzelnen Seelenanteile abgelöst, von einander getrennt und anschließend wieder zusammengefügt werden, um so eine neue Ganzheit der Seele zu gestalten. Es ist eine Wiedergeburt, ein Schöpfungsimpuls!

In den Religionen nun, wird dieser authentisch erlebbare Mythos dem Göttlichen selbst zugesprochen:

Osris wurde von seinem Bruder Seth zerstückelt und die Körperteile über Ober- und Unterägypten verstreut, bis Isis kam, sie suchte, fand und zusammenfügte. Der griechische Gott Dionysos wurde auf betreiben Heras von den Titanen – den Urgewalten der Erde – in sieben Teile zerrissen. Rhea sammelte die Körperteile, die von den „Erdentsprossenen" gekocht und wieder zusammengefügt wurden. Oft wird dies so erklärt, dass in diesem Mythos, die Entstehung des Weins nachempfunden wird (Dionysos ist Gott des Weines): Das Zerreißen und Zerpflücken der Trauben, der Gärungsprozess im Kessel und die Reifung. Ich glaube jedoch, dass es eher so ist, dass in der Erschaffung des Weines, der selbst erfahrene transformative Schöpfungsimpuls wiedererkannt wird, weshalb es umgekehrt zur Verkultung des Weines kommt.

Coyolxauhqui war die aztekische Göttin des Mondes. Sie wurde von ihrem Halbbruder Huitzilopochtli auf dem heiligen Schlangenberg zerstückelt. Den Kopf Coyolxauhquis schleuderte er in den Himmel, wo er seitdem als Mond die Erde umkreist. Auch hier führt die Zerstückelung der Göttin zu einer neuen Ganzheit: Dem Mond. In ihm wird die Zerstückelung und Zusammensetzung monatlich erlebbar. Wiederum wird das Urerlebnis im Mond wiedererkannt. Es ist nicht eine einfache Erklärung für das Zu- und Abnehmen des Trabanten, auch kommt es hier nicht wie bei Dionysos zur Weinverkultung. Das Erlebnis wird in verschiedenen Szenen der physischen Außenwelt wiedererkannt.

Es wundert nun nicht, dass auch das Christentum – zumindest ansatzweise – diese Urerfahrung mit zur Religion erhebt: In der Eucharistie wird der Leib Christi - des Gottes, der sich selbt opferte - gegessen, dadurch kommt es wiederum symbolisch zur Zerstückelung desselben und zur Wiederzusammenfügung in jedem Gläubigen. Freilich ist das Erleben nun auf die Symbolik reduziert, wodurch eine tatsächliche spirituelle Erfahrung ungleich schwerer wird.

Die Mythen der Religionen beruhen also auf authentischen spirituellen Erlebnissen, doch durch die Erhebung des Mythos zum Glaubensinhalt wird das eigene Erleben eben dieses Ereignisses mehr und mehr verwehrt, ja bisweilen sogar zum Sakrileg erhoben. Nun kann man glauben oder es lassen. Dabei wird die innere Distanz zum Erlebnis immer größer. Das Christentum verfährt hier nicht anders als jede Religion. Ich bin auch nicht der Meinung, dass Christentum hätte „alles nur geklaut", denn wenn dies so wäre, bliebe die Frage nach dem „Erfinder" des Mythos. Zu jedem Mythos einer Religion lässt sich aber beständig eine Vorgängerreligion finden, auf der dieser Mythos basiert. Vielmehr ist es so, dass grundsätzliche archetypisch-spirituelle Grunderfahrungen, die zu jeder Zeit und überall auf der Welt gemacht werden können, in den verschiedenen Religionen verschiedene Ausdeutungen erhalten. Dennoch steht das persönliche Erlebnis stets am Anfang und sollte die jeweilige Religion beständig erneuern können. Geschieht dies nicht mehr, wird die Religion zum Glaubensdogma.

Bild:
links: Reliefstein mit Coyolxauhqui Wikipedia
rechts: Eucharistie © Gina Sanders/fotolia.com

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