Die Irminsul ist ein Symbol der Weltensäule oder des Weltenbaums. Die Darstellung wird gerade in Heidenkreisen gerne gewählt. Hier wird sie oft als deutlich vorchristliches Symbol interpretiert, daher lohnt sich ein Blick auf die Form und Symbolik.
Historisch belegt ist die Irminsul aus dem Frühmittelalter. Nach den fränkischen Annalen, soll Karl der Große im Jahr 772 Befehl gegeben haben, eine Kultsäule dieses Namens zum Zwecke der Christianisierung zu zerstören. Etwa 100 Jahre später – die Irminsul war also bereits lange zerstört – schrieb der Mönch Rudolf von Fulda (863) „Sie verehrten auch unter freiem Himmel einen senkrecht aufgerichteten Baumstamm von nicht geringer Größe, den sie in ihrer Muttersprache ,Irminsul' nannten, was auf Lateinisch ,columna universalis' (dtsch. All-Säule) bedeutet, welche gewissermaßen das All trägt." Heutige Interpreten gehen eher von der Beduetung „Große Säule" aus. Die genaue Form, die die Irminsul hatte, ist nicht überliefert.
Die heute häufig verwendete Formwiedergabe beruht vermutlich u.a. auch auf dem Kreuzabnahmerelief an der Externsteinen. Dort steht einer der Männer, die Christus vom Kreuz heben, auf einer „gebeugten Irminsul" wie auf einem Stuhl. Auch auf Säulenkapitellen christlicher Kirchen tauchen ähnliche Formgebungen als Symbol des Paradies- und Weltenbaumes auf.
Die Irminsul wird hier als palmenartiger Baum gezeigt, dessen Kronenblätter sich zu Spiralen einwinden. Der Stamm zeigt dabei häufig drei Abschnitte, die im Sinne interkultureller schamanischer Weltbilder als die Drei Welten (untere, mittlere und obere Welt) gedeutet werden können.
Obgleich die genaue Form der historisch so benannten Irminsul also unbekannt ist, ist die symbolische Form an sich durchaus in verschiedenen Variationen zu belegen.
Mit älteste Beispiele stellen die Djed-Pfeiler Ägyptens dar. Auch bei ihnen handelt es sich um ein Symbol der Weltensäule. Mythologisch werden sie auch als Wirbelsäule des Osiris gesehen. Vermutlich handelte es sich ursprünglich um stufenartig zusammengebundene Getreidebündel. Am Djed-Pfeiler unterteilen mehrere Querbalken den eigentlichen Pfeiler wiederum in drei dadurch voneinander getrennte Ebenen (die Drei Welten).
Bekannt ist auch der sogenannte Geckpfahl, einem Giebelschmuck als Symbol der Weltensäule wie er auf Hallenhäusern in Westfalen auftaucht. Von einer Art Blüte gekrönt, unterteilt sich auch dessen Stamm in drei Bereiche.
Spannend an der Formgebung der Irminsul ist auch die polar sich einspiralisierende Krone. Sehr ähnliche Formen tauchen auf den ionischen Säulen der griechischen Antike, den sogenannten Voluten auf. Sie bilden eine unmittelbare Beziehung zu stein- und bronzezeitlichen Brillenspiralen, die oft als „Augen der Vogelgöttin" gedeutet werden. Aber auch Bezüge zur alten Widderverkultung werden vermutet. Biologisch beobachtbar ist die Form in Samengehäusen wie hier bei einer Melone. Die Doppelspirale ist also ein unmittelbares Abbild der sich entfaltenden Energetik des Wachstums. Augen der Vogelgöttin, Widderhörner und Wachstumsimpuls. Alle drei stehen symbolisch u.a. für die Fruchtbarkeit. Die Irminsul wird damit zum „Baum des Lebens", zur Quelle der Fruchtbarkeit im Zentrum der Welt.
So ist die konkrete Form der historischen Irminsul nicht belegbar. Die Formbeispiele des Irminsul-Symbols stammen aus dem Frühmittelalter. Beispiele anderer Weltensäulen-Abbildungen zeigen aber, dass die Symbolik der Form deutliche Beziehungen zum schamanischen Drei-Welten-Modell und der Fruchtbarkeits- und Lebenssymbolik der Doppelspirale besitzt.
Die Irminsul – ein Symbol der axis mundi.
Die Weltenachse – Einstrahlpunkte und axis mundi
Bilder:
Irminsul © fotolia
Geckpfahl, ionische Säule, Djed-Pfeiler: Wikipedia
Melone, Externstein-Relief © Stefan Brönnle
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