Symbole sind archetypische Formen. Sie werden nicht erfunden, sondern gefunden, meist auch interpretiert und in einen bestimmten Kontext gestellt. Wie unwandelbar Symbole jedoch in ihrem Kern sind, zeigt der sogenannte „Mondpfeil" von Falera – nur wenige Schritte von der Remigiuskirche entfernt. Die Gravur auf einem Felsen der bronzezeitlichen Kultanlage zeigt einen Bogen mit Pfeil, dessen Spitze eine Sichel bildet. Peilt man der Linie, die der Pfeil vorgibt, entlang, so wird der Blick auf die Spitze des Piz Fess geführt. Genau hier fand im Jahre 1089 vor Chr. Eine Sonnenfinsternis statt, die somit vom „Mondpfeil-Stein" aus gut beobachtbar war.
Der Pfeil als Symbol des Linearen, unmittelbar ins Ziel führenden, des Zeigers und Deuters wird in dieser Gravur offensichtlich. In der Remigiuskirche nun wird das Symbol 2500-3000 Jahre später erneut aufgegriffen: Mehrfach tauchen dort Gestalten auf, die Pfeile in der Hand halten. St. Sebastian mag man noch als Verweis auf die Pest abtun (Sebastian ist Pestheiliger), doch auch Putten und nicht zuletzt auch Christusdarstellungen halten in ihrer Hand Pfeile – was hier meines Wissens einzigartig ist.
So wandelt sich der bronzezeitliche Hinweis auf ein astronomisches Ereignis zu einem religiösen Symbol, die Sonnenfinsternis zum jenseitigen (nicht-physischen) Christus. Die metaphysische Sonne Christus ist im Diesseits nicht zu sehen, aber im Jenseits, so wie die Sonne bei der Finsternis vom Mond verborgen und doch präsent ist.
Eine unmittelbare Erfahrung, ein Erleben, führt zu einem Symbol, das sich vertieft und nun zu einem metaphysischen Symbol wird: Christus mit Pfeil.
Bilder © Stefan Brönnle
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