Etliche christliche Heilige nutzten zur Wunderwirkung Stäbe: Die heilige Odilia, der heilige Korbinian oder Wolfgang z.B. nutzten ihren Stab zur Quellerweckung. Moses teilte mit dem ihm von Gott auf dem Sinai anvertrauten Stab das Rote Meer, verwandelte ihn in eine Schlange und auch er erweckt eine Quelle. Die Kunst derartig mit Stäben zu agieren wird „Rhabdomantie“ genannt (aus Griechisch „rhabdos“ - zu Deutsch „Stab“ und „manteia“ - zu Deutsch „Wahrsagen“)
Stäbe dienen hier offenbar der Wasserfindung (im Italienischen bedeutet „rhabdomantia“ „Wünschelrute“), aber auch viel allgemeiner der Wirkung und Leitung magischer Kräfte. Mit die ältesten kultischen Stäbe sind die aus dem Paläolithikum stammenden sogenannten Lochstäbe. Der Lochstab von Grube-Rosendorf z.B. besteht aus Rothirschgeweih und hat eine Länge von 58 Zentimetern, andere Lochstäbe bestanden aus Rengeweih oder Mammutelfenbein. Nach ersten Vermutungen, die Lochstäbe hätten die Funktion eines Werkzeugs gehabt, oder sie wären Statussymbole gewesen (siehe unten), geht man bei ihnen heute mehr und mehr von einer kultisch-rituellen Nutzung aus. Heute lebende Schamanen nutzen Stäbe um Krankheiten abzustreifen oder Heilkräfte in den Patienten zu leiten. In Polynesien gilt der Schamanenstab aber auch gleichsam als aufgeladen. Er darf der Länge nach nicht die Erde berühren, weshalb er stets aufrecht steht, da er sonst seine Kraft verlieren würde.
Solche rituellen Praktiken verweisen auf die Ursymbolik des Stabes: Er ist eine mobile Axis mundi, eine Weltenachse, die durch die Ebenen der Wirklichkeit („Drei Welten“) reicht und so den Schamanen und Heilkundigen mit den Spirits, bzw. im christlichen Kontext mit den Engeln und Gott verbindet. Offensichtlich wird dies auch beim Bischofsstab. Obgleich er gerne als „Hirtenstab“ tituliert wird, lässt sich die krumme Rundung, bzw. das spiralförmige Ende ganz anders herleiten: Im alten Ägypten war der Krummstab das „Heka-Szepter“ ein Symbol der Wiedergeburt und Regeneration und auf diese Weise wiederum mit der Weltenachse identisch. Mit dem Heka hatte beispielsweise Osiris die Macht, über den Eintritt ins Jenseits zu entscheiden (also die Weltenachse zu öffnen oder zu verschließen). Der Etruskische Lituus kann als unmittelbarer Vorläufer des Bischofsstabes gesehen werden. Er war ein Symbol des Blitzes. Blitze ruhten symbolisch wie eine Chamäleonzunge zusammengerollt in der Hand z.B. des Gottes Tin (Tinia), bis der Blitz geschleudert wurde. Hier entrollt er sich nun und bildet eine Himmel und Erde verbindende Axis mundi. Der Bischofsstab wiederholt förmlich diese Entladung. Auch der Titel der etruskischen Priester „Pontifex maximus“ (oberster Brückenbauer) ging auf den Papst über.
Im Stab steckt die Macht, die Welten zu verbinden und die durch die Axis mundi strömenden Kräfte zu lenken.
Diese Macht wiederum macht den Stab zum Insignium der Macht. Im Marshallstab wird der Stab Herrschaftssymbol. Kommandostäbe sind seit dem klassischen Griechenland in Gebrauch. So trug 414 v. Chr. der Feldherr Gylippos von Sparta – wie Plutarch berichtet - während der Belagerung von Syrakus einen Kommandostab.
Der Taktstock (seit dem 16. Jahrhundert bekannt), der „Dirigentenstab“, gibt dem Dirigenten die „Macht über das Orchester“. Er steuert mit dem Taktstock gleichsam die „Magie der Musik“. Dirigentenstäbe werden in der Regel auf den Nutzer abgestimmt. Optimaler Weise haben sie die gleiche Länge wie die Entfernung zwischen Ellenbeuge und dem Fingeransatz des Mittelfingers der Dirigierhand. Die Dirigierhand wird hier als eine „Machthand“ gesehen, die ähnlich der Kraftausübung des Schamanen oder der Magiewirkung im Wicca bevorzugt mit derselben Hand ausgeführt wird. Der Dirigentenstab wird sozusagen mit der Dirigierhand in Resonanz gebracht durch exakte Vermaßung.
Dem Dirigentenstab wiederum entstammt das heutige häufige Aussehen der Stäbe der Bühnenzauberers (Illusionisten), sowie die Größe der Stäbe z.B. in den Harry Potter Filmen. Auch in Rowlings Roman wird der Zauberstab aus den Körpermaßen des Zauberschülers abgeleitet.
Kultstäbe sind symbolisch somit zunächst rituelle Weltenachsen, die mehr und mehr der Kraft- und Magie-Ausübung dienten und daher mit dem Ausübenden in Resonanz gebracht wurden. Es sind Kraftobjekte, die in der Regel von anderen Personen nicht genutzt werden dürfen, manchmal auch die Aura der Unantastbarkeit haben: Berührt ein Fremder den Schamanenstab eines polynesischen Schamanen, so entlädt sich dieser in den Körper des Berührenden, was starke Verletzungen, ja, manchmal den Tod zur Folge hat.
Bilder:
Titel © Stefan Brönnle
St. Wolfgang als Quellerwecker © Stefan Brönnle
Schamane: gemeinfrei
Bischof, Lochstab: Wikipedia
Admiral: Bundesarchiv
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