Mancherorts wie hier auf den Bildern des Stammes einer Hängebuche im Nymphenburger Schlosspark (München) ist die Anziehungskraft besonderer Bäume so groß, dass die Stadtgärtner ihr kaum Herr werden. Verbotsschilder und Absperrungen halfen jahrelang nichts, so dass die Gärtner schließlich resigniert aufgeben mussten: Der Stamm des Baumes ist über und über mit Herzen und Initialen übersäht: Ein Kraftort der Liebe. Zum einen ist dies für den Baum sicherlich verletzend, zum anderen zeigt dieses alte Brauchtum wie sehr besondere Plätze Menschen emotional anziehen. Der Ort ist ein „emotionaler Attraktor“. Sich mit seiner Liebe im Baum zu verewigen ist ein magischer Brauch auf verschiedenen Ebenen:
In der Bibel steht der Baum des Lebens mitten im Paradies, wo ein Strom entspringt, der sich in vier Hauptwasser teilt: Geon, Phison, Euphrat und Tigris. Der Lebensbaum der Jakuten wächst auf einer Wiese, und aus seinen Wurzeln sprudelt das »Wasser der Ewigkeit<< hervor. Bei den lamaistischen Kalmücken steht der Lebensbaum Zambu in einem Bergsee, und altpersische Darstellungen des Paradiesbaumes zeigen ihn mit einem Spalt, aus dem Lebenswasser fließt. Pan gehörten die Ulmen, die Weiden und die Platanen, die meist um eine Quelle angesiedelt waren. In den Nadelbäumen verwies das immerwährende Grün auf das ewige Leben, weshalb auch die Thuja zum Lebensbaum wird.
Ritzt man so seinen Namen in den Stamm, so ist man mit dem Paradiesbaum, mit dem heiligen Zentrum verbunden und damit ewig.
Wie das Wasser steht der Baum aber auch für Fruchtbarkeit und Heilung. In Böhmen gingen Kinder mit Weidenpeitschen und einem mit Eiern behangenen Baum im Dorf herum und schlugen die Mädchen, denen sie begegneten, mit der Weidengerte. In Neukaledonien wird das Mädchen beim Eintritt in die Pupertät in Erde ein gegraben und mit Ruten rituell geschlagen. Mit Birkenruten schlug man den Frauen auf die Geschlechtsteile; besonders die Haselgerte galt als Symbol des Penis und wurde zum Schlagen der Frauen und Tiere benutzt. Dabei geht es nicht um eine Züchtigung oder gar Schmerz, sondern das rituelle Übertragen der Fruchtbarkeit des Baumes.
Der Maibaum ist ebenfalls Lebensbaum und Fruchtbarkeitssymbol in einem. Er stellt den Genius der im Frühjahr erwachenden Vegetation dar. Verbreitet war auch das Bäumeschütteln, um eine gute Ernte zu beschwören. Sergius Golowin beschreibt einen Brauch, wonach einem impotenten Mann Haare und Nägel beschnitten wurden, die, in ein Tuch eingewickelt und mit einem Pflock vom Hagedorn versiegelt, in ein Loch im Holunder-Baum gelegt wurden. Darauf sollte der Mann seine Fruchtbarkeit wiedererhalten. In Wittstock in der Altmark stand eine Eiche, deren verwachsenen Äste ein Lochbildeten, durch das Lahme und Gichtige schlüpften, um zu genesen.
Das Herz im Baum verheißt darum der Liebesbeziehung Ewigkeit, Fruchtbarkeit und Segen. Dies ist den meisten sicher nicht bewusst und muss es auch gar nicht. Die magische Handlung an sich ist wirksam.
Bilder © Stefan Brönnle
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