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Das Wissen im Bauch der Erde

07. Mai 2017 | Von: Stefan Brönnle | Kategorien: Geomantie, Mythen, Symbole, Schamanismus, Architektur | 0 Kommentare

Bestiensäule

Tief in der Erde, in der Krypta des Doms zu Freising ist eine einzigartige Darstellung zu bewundern: Die Bestiensäule. 3 x 8 = 24 freistehende Säulen stehen hier. Die 8 ist eine Zahl der Verbindung zweier Welten, so waren sowohl Taufkapellen als auch Totenkapellen achteckig, weil sich hier zwei Welten trafen. Die 3 steht für die Ganzheit des Menschen, für Körper, Seele und Geist. Am Weltenbaum zeigt sich die 3 in den 3 Welten, der unteren, der mittleren und der oberen. Körper, Seele und Geist verbinden sich an diesem Ort im Dies- und im Jenseits.

24 Säulen, 12 Stunden des Tages und 12 Stunden der Nacht versinnbildlichen das Leben und den Tod, die Wachheit und den Schlaf, das helle und das dunkle Prinzip. …Und in der Mitte steht die sogenannte Bestiensäule: Im Westen der Säule streben Drachen auf, im Osten sitzt eine Frau mit spiraligen Zöpfen. Sie hält eine Pflanze in der Hand. Die etwas banal erscheinende christliche Deutung ist, dass die Drachen – natürlich – das Böse symbolisieren. Die Frau sei die Jungfrau Maria und die „Blume“ das zarte Pflänzchen der Kirche. Doch m.E. ist die Darstellung viel archetypischer:

Hier, wo sich die Welten begegnen, wo Licht und Schatten auf einander treffen, ist die „Mitte der Welt“. Im Westen strebt die Urkraft auf. Drachen sind Urbilder der Urkraft der Erde. Das griechische „Drakon“ bedeutet sowohl „Drache“ als auch „Schlange“. Die Schlange wechselt ihre Haut und regeneriert sich, sie trägt die Urkraft der Wiedergeburt in sich. Der Drache überhöht diese Kraft einmal mehr. Im Westen verkörpert er die Kraft des Irdischen. Auch zu Füßen der Frau auf der Ostseite sind Drachen zu sehen. Sie bilden die Basis ihrer Kraft und Macht. Die Frau ist niemand anderes als die Große Göttin selbst. Ihre Zöpfe sind spiralig gewunden. Die Spirale ist ein altes Lebenssymbol – sie dreht sich ein und sie dreht sich aus.

In der Hand hält die Göttin nicht weniger als den Weltenbaum, der im Zentrum der Welt steht und die Ebenen der Wirklichkeit verbindet. Sie hütet, bewahrt und schützt den Baum. Ihr zu Füßen wird das Motiv des Weltenbaums noch einmal sehr deutlich wiederholt. Die dortige Darstellung gleicht die der Irminsul an der Kultstätte der Externsteine – ein palmenartiger Baum.

So zeigt die sogenannte „Bestiensäule“ die Basis und den Kern unserer Welt, unserer Existenz: Die Urkraft der Erde (Drachen), die Große Göttin, den Weltenbaum, der die Ebenen der Wirklichkeit verbindet. So entsteht die Fülle (8 Säulen-Reihen) für Körper, Seele und Geist (3er Gruppen der Säulen). Im Herzen des Dombergs wurde uraltes archaisches Wissen in der Frühzeit des Christentums verkörpert und bewahrt.

Bild © Stefan Brönnle

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