Grenzen sind heilig. Insbesondere in sesshaften Kulturen wurde Grenzen eine sakrale, ja geradezu magische Wirkung zugeschrieben. Wer einen Grenzstein heimlich und verbotenerweise versetzte, musste mit göttlicher Strafe rechnen und die Grenzen auch nach seinem Tode als unruhiger Geist umwandern. Bremen erhielt seine Grenze, indem diese von einem Lahmen in einem Tag umwandert wurde, die heiliggesprochene Kaiserin Kunigunde umspann die Grenzen Bambergs der Legende nach mit einem schützenden leuchtenden Faden, die Etrusker pflügten die Grenzen einer Stadt in die Erde ein. Während ritueller Flurumgänge wie zu Fronleichnam werden bis heute Grenzen jährlich rituell erneuert und geweiht.
Angesichts dieser magischen Prägung alter Grenzen wäre es verwunderlich, wenn nicht den Zeichen der Grenze – den Grenzsteinen – eine ganz besondere Aufgabe zukäme
1. Geheimnis: Die Weisung
Alte Grenzsteine – auch als „Bannsteine“ bezeichnet - tragen auf der Oberseite oft Kerben, die in verschiedene Richtungen weisen können. Diese Kerben, „Weisung“ genannt, weisen die Richtung, in der der nächste Grenzstein liegt und die somit den Grenzverlauf anzeigt.
2. Geheimnis: Die Lohe
Alte Grenzsteine sind nicht nur sicht- sondern auch unsichtbar markiert. Äußerlich zeigen sie meist eine Jahreszahl für das Jahr ihrer Errichtung, das Wappen des Herrschaftsbereiches, gelegentlich eine Nummer, mit der sie zu identifizieren sind, sowie die oben genannten Weisungskerben oder eine Mulde als eigentlichen Grenzpunkt.
Darüber hinaus besitzen aber diese alten Grenzsteine auch unsichtbare Markierungen, die unter dem sichtbaren Grenzstein vergraben sind. Diese Zeichen dienten dazu, dass bei einer unerlaubten Grenzsteinversetzung die Markierung übersehen und nicht mit versetzt wurde, so dass die sogenannten Flurgeschworenen, die für den Erhalt der Grenzen zuständig waren, die Grenzverletzung erkennen konnten. Diese Zeichen wurden „Zeuge“, „Marke“, „Lohe“, „Loch“ u.a. genannt. Der Grenzstein allein galt noch nicht als Beweis seiner Echtheit, erst der „Zeuge“, die „Lohe“ machte ihn zum wahrhaftigen Bannstein. Im Alemannischen war es Brauch zu jedem errichteten Bannstein einen belaubten Buchenzweig zu setzen. Ein Teil des Zweiges wurde unter den Grenzstein gelegt. Was genau die Lohe war, war Teil des „Lohengeheimnisses“. „Lohe“ lässt sich von zwei Wortstämmen ableiten: Zum einen vom mittelhochdeutschen lôch (Genitiv lôhen), was vermutlich auf dem Lateinischen „locus“ (Ort) beruht – ein Gegenstand, der den Ort als echt und wahrhaftig benennt und bezeichnet. Zum anderen auf das mittelhochdeutsche lohe für „hell, leuchtend, licht“. Durch die „Lohe“ war also das Erkennen der Wahrhaftigkeit des Ortes möglich.
Auch hier gab es wiederum sicht- und unsichtbare „Lohen“, „Zeugen“ oder „Marken“. Ziegelfragmente mit eingeprägten Buchstaben, die nur den Flurgeschworenen bekannt waren, Glasscherben, Kupferplättchen oder Kegellohen aus Ton konnten mit den Augen erkannt werden. Sie waren oft klein, so dass der Grenzfrevler sie bei seiner nächtlichen Aktion im Boden leicht übersehen konnte.
Die unsichtbaren Lohen aber bestanden aus Knochen, Holzstücken oder Holzkohle. Sie würden über kurz oder lang in den Boden übergehen und konnten dann nicht mehr gesehen werden. Doch welchen Sinn sollten sie dann haben?
3. Geheimnis: Der unsichtbare Zeuge
Um zu verstehen, was es mit den unsichtbaren „Zeugen“ oder „Lohen“ auf sich hat, muss man noch einmal die magische Kraft der Grenzsteine ins Bewusstsein rufen. Das Holzstück stammte z.B. von einem alten heiligen Grenzbaum in der Nähe, einem sogenannten „Loch-„ oder „Lachbaum“, und war mit diesem rituell verbunden. Auch wenn das Holz unter dem Grenzstein verrottete, blieb doch die Verbindung erhalten und konnte erspürt werden. Wurde die unsichtbare Lohe vom Grenzfrevler nicht mitversetzt, so fehlte dem Grenzstein seine Verbindung. Ähnlich nutzte man auch nahe „Lochsteine“, deren Verschieben ebenfalls mit starken bis nach den Tod reichenden Strafen geahndet wurden.
Hier kommen auch wieder die „Weisungen“ ins Spiel: Oft nutzten die Flurgeschworenen (auch z.B. „Gescheid“ genannt) die Radiästhesie. Indem der Flurgeschworene z.B. einen Teil der unsichtbaren Lohe behielt, konnte er sozusagen die Resonanz dieser mit der Wünschelrute oder dem als Pendel genutzten Senklot wiederfinden. Die Weisungskerbe diente dabei sozusagen als Peilstrahl zum nächsten Grenzstein. War dieser „Peilstrahl“ zwischen zwei Grenzsteinen nicht vorhanden und die Rute schlug nicht aus, musste einer der beiden Grenzsteine versetzt worden sein. Ebenso, wenn die Verbindung zum „Lochbaum“ oder „Lochstein“ nicht mehr resonant war.
So werden alte Grenzen oft bis heute tatsächlich von einem unsichtbaren Gespinnst umwoben, wie einst Kunigunde Bamberg mit dem magischen Lohefaden umwob. Grenzfrevler blieben in alter Vorstellung hier wie in einer Geisterfalle mit einem Seelenanteil hängen und konnten den Gemarkungsraum/Bannraum (darum „Bannstein“) nicht mehr verlassen.
Tipp: Basisausbildung Physikalische Radiästhesie
Bild Grenzstein oben © fotolia
Abbildungen Grenzsteine gemeinfrei.
Bild Kegellohe (Marksteinzeuge) als sichtbare Lohe. Neuhausen, Kreis Esslingen © Wikipedia
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