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Rituelle Flurumgänge und die Erneuerung heiliger Grenzen

03. Juni 2015 | Von: Stefan Brönnle | Kategorien: Geomantie, Brauchtum | 0 Kommentare

Flurumgang einer Fronleichnamsprozession

Die rituelle Grenzziehung, oder auch die zyklische Grenzerneuerung und Grenz(neu)weihe, sind Rituale die sich über Jahrtausende in einer ähnlichen Form erhalten haben. Gerade an Fronleichnam wird dieser Brauch auch im Christentum praktiziert. Die Flurumgänge der Fronleichnamsprozessionen wurzeln unmittelbar auf den rituellen Erneuerungen alter, geheiligter Grenzen, wie sie bis ins Mittelalter aus vorchristlicher Zeit überliefert wurden.

So gibt es in Königsberg in Bayern den rituellen Flurumgang alle 20 Jahre. Unter Führung der Feldgeschworenen und Märker werden die Flurgrenzen der Stadt zu den Nachbargemeinden, eine rund 24 Km lange Strecke, abgelaufen. Der erste Grenzstein hat die Inschrift “H - F - D - K - A - W - S - U - D - F - G - Z - L - H”. Dies bedeutet nichts anderes als “Hier Fangen Die Königsberger An, Wenn Sie Um Die Flur Gehen, Zur Linken Hand”. Beim Umgang kommt es zum rituellen “stauchen”: Ein Junge oder ein Mädchen wird dreimalhoch gehoben und mehr oder weniger sanft auf den Stein ”gestaucht”, anschließend werden sie dreimal am Ohr um den Stein geführt. Bei den eher kirchlichen Flurumgängen kam es im 15.Jahrhundert zur Verbindung des Umgangs mit z.B. der Fronleichnamsprozession. An vier Stationsaltären wird Halt gemacht und Fürbitten gesprochen. Der sakramentale Segen wird in die 4 Himmelsrichtungen gesprochen, gefolgt von einem 5. Segen zum Abschluss. So sind z.B. für das Hochstift Paderborn 5 Stationsaltäre belegt. Die Flurumgänge gehen mit großer Wahrscheinlichkeit auf germanische Rechtsbräuche zurück, wonach ein Grundeigentümer einmal im Jahr seinen Besitz umschreiten musste, um den Besitzanspruch zu erneuern.

Im ägyptischen Sedfest erneuerte der König seinen Herrschaftsanspruch. Dazu wurde rituell die Welt neu in Besitz genommen. Der König steckte die Upuaut-Standarte in das Feld. Sie war das Symbol der Weltenmitte und der axis mundi. Diese Standarte wurde sodann vom König viermal, entsprechend den vier Haupthimmelsrichtungen der Welt, umrundet. Dies kam der Neugeburt des Königtums gleich. Der heilige Herrschaftsraum war erneuert.

Im etruskischen Ritus der Stadtgründung zog man mit einem Pflug, der von einem schwarzen und einem weißen Rind gezogen wurde, eine Furche dort in die Erde, wo später die Stadtmauern hinkommen sollten. An den zukünftigen Stadttoren wurde der Pflug kurz angehoben und getragen. Die geistige Stadt wurde auf diese Weise “in die Erde gegraben”. Diesen Ritus pflegten wohl auch Romulus und Remus bei der legendären Stadtgründung Roms. Doch Remus missachte die heilige Grenze und wurde deshalb vom Romulus erschlagen. Der geheiligte Raum der Stadt blieb jedoch: Das Pomerium in Rom war eine sakralrechtliche Grenze, die der Linie der Servianischen Mauern folgte. Dennoch war die heilige Grenze nicht mit der physischen Mauer identisch. Vielmehr wurde die heilige Linie separat durch weiße Steine (cippi) markiert, die wiederum als heilig galten. Alles, was mit Krieg verbunden war, musste außerhalb des Pomeriums verbleiben. Deshalb lag der Tempel der Kriegsgöttin Bellona und das Campus Martius, das Marsfeld, außerhalb dieses geheiligten Bereiches der Stadt Rom. Auch durften keine Toten innerhalb dieses geheiligten Bezirkes bestattet werden. Ähnlich lagen auch in der mittelalterlichen Stadt die Friedhöfe zunächst außerhalb der Stadtmauern.

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Bild © Fotolia

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