Der nächtliche Himmel ist ein Gewölbe, mit Sternen übersäht. Die Nacht und das Dunkle ist das Heilige, die Übergänge - der Morgen und Abenddämmerung - sind die Pforten, an denen die Sonne geboren wird und wieder stirbt. Die Höhle ist die Unterwelt, die eine heilige Quelle oder einen Fluss aufweist. Die Milchstraße ist der große Himmelsfluss, er wiederspiegelt einen Fluss der Erde oder Unterwelt. Die Sterne sind die Ahnenseelen bei der großen Göttin, die Höhle Seelensitz und Wiedergeburtsort für die Ahnen. Die Geborenen, Mensch, Tier und Pflanzen sind ihre Kinder.
So wird die Landschaft als ein großer, heiliger Raum erfahren, indem die Große Göttin präsent ist und lebt. Die Große Göttin ist hier die „Landschaftsahnin“. Sie ist zugleich Beschützerin und Bewahrerin, aber auch das Land selbst: Die alteuropäische baskische Göttin Mari wurde in pyrenäischen Höhlen als Stein oder Stalagmit verehrt. Die Göttin Danu reiht sich ein in die zwischen Indien und Europa immer wieder als Fluss- oder Wassername erscheinende Wortwurzel: Donau. Don, Rodanus (Rhone), Radanu, Jordan. Die Danu erscheint in Indien als heilige Kuh mit ihrem Kalb, das ihren Sohngeliebten als zukünftigen Stier darstellt. In Irland ist Dana/Danu die Urmutter des Göttergeschlechtes der Tuatha Dé Danann. Auch sie ist Göttin und Land in Einheit.
Das antike Zypern galt als das Land der altorientalischen Aphrodite-Astarte und die Pyrenäen erhielten ihren Namen von der mythologischen Phyrene, die ein Aspekt der baskischen Göttin Mari ist. Helvetia geht zurück auf eine feenhafte Frau, die in der Erde lebt und einen Fischschwanz trägt, der Helva. Der Sage zufolge gibt es eine Höhle, die der Zugang zu ihrem Reich darstellt (Gantrisch, Schwarzenburgerland).
Im Süddeutschen-Österreichischen Raum ist die Name der Landschaftsahnin „Percht“. Die Percht ist die hässliche Alte, deren Raum noch heute ihren Namen trägt: Berchtesgaden. Im Althochdeutschen bedeutet gadam oder gadum ‚Raum, Gemach, Scheune‘. Berchtesgaden ist das „Gemach der Percht“.
In Landschaftssagen erscheint eine Fee, weiße Frau oder hässliche Alte, die sich verwandeln kann. Sie ist die Herrin des Landes, Die Königsmacherin und Schicksalsverkünderin. Sie führt die Seelen der Verstorbenen in ihr Reich und schenkt die Kinderseelen: Der Frau Holle-Teich am Hohen Meissner, östlich von Kasse ist ein solches Portal, eine Verbindung zwischen dem Reich der Holle und dem Reich der Menschen. Frau Holle lebt in der Unteren Welt, durch den Brunnen steigt man zu ihr hinab. Sie ist die, die das Wetter macht und die Jahreszeiten. Aus dem Frau-Holle-Teich auf dem hohen Meissner kommen die Kinderseelen in die Welt.
So ist unsere Landschaft, so profanisiert sie einerseits ist, gleichzeitig durchdrungen vom Wissen der Alten, von der Seelenbeziehung von Mensch und Land, das sakrale Land…
Text: Sibylle Krähenbühl
Initiationsschulung mit Sibylle Krähenbühl
Bild: Frau Holle Teich/Hoher Meissner © fotolia
Kommentare