Über die Kunst, ein Bach zu sein
Unter Empathie versteht man die Kunst, sich in andere Menschen, aber auch Situationen und Orte einzufühlen. Dazu muss man versuchen, sich mit dem Betrachtungsobjekt gleichzusetzen. Erst hieraus erfährt man die »Reaktionsweise« und die »Gefühle« des Landes.
Die großen Mystiker verwendeten eine ähnliche Technik, um letztlich die Christuskraft zu erfahren, sie nannten sie »Kontemplation«, schamanische Kulturen gehen über eine Tranceerfahrung in die Identifikation. Um dies zu erreichen, um selbst »zum Bach zu werden«, bedarf es oft einer gewissen Überwindung. Man probiere es daher zunächst allein oder im Beisein eines guten Freundes.
Zunächst nehmen Sie die Gebärden des Baumes oder Berges an, empfinden quasi mit Ihrem Körper die Gestalt nach. Bleiben Sie in dieser Haltung ruhig ein wenig stehen, um mit Ihrem Bewusstsein den ganzen Körper zu erfüllen. Über dieses »Körperbewusstsein« können Sie sich schließlich ganz mit dem Baum oder Berg identifizieren. Sie wiegen sich im Wind und blicken seit Jahrhunderten von hier aus übers Land!
Oder Sie beginnen sich zu bewegen, folgen mal schnell, mal langsam — in einer Art Tanz — glucksend und gurgelnd dem Bachlauf! Oder Sie sitzen ruhig und schweigend und ruhen als Berg völlig in sich!
Nun erkennen wir, was die Landschaft will! Sind ihr die vielen Menschen zuwider, oder heißt sie sie willkommen? Ist der kultische Ringwall ein Atmungsloch des Berges, oder drückt ihm eine Fabrik die Luft ab? Hier nun erfahren wir auch Beziehungen der Landschaftselemente untereinander: Bin ich als Berg mit dem mir gegenüberliegenden Gipfel innerlich verbunden oder eher mit dem Wald im Tal, wo die Kapelle steht?
Die »Kunst, ein Bach zu sein«‚ wird zu unserer Sprache, mit der wir uns mit dem Land unterhalten.
Tipp: Wahrnehmungstraining: Grenzenlose Sinne
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