Die Angst, von unsichtbaren Wesen – von „Geistern“ – belästigt oder gar angegriffen zu werden, führte in verschiedenen Kulturen zu - teilweise sehr ähnlichen – Schutzmaßnahmen: Sogenannten Geisterfallen:
In Nepal und Tibet werden an bestimmten Orten als „Geisterfallen“ Gebilde aus Holz und roten Bindefäden aufgestellt, in der Annahme, Geister fliegen nur geradeaus und verfangen sich im Fadenkreuz. Auch die bekannten indianischen Traumfänger sind nach demselben Prinzip aufgebaut und sehen daher recht ähnlich aus. Wenn wir die gitterartige Struktur manchen „Hausschmucks“ im deutschsprachigen Raum betrachten, so erkennen wir auch hier große Gemeinsamkeiten, so dass dieser „Schmuck“ wohl kaum nur als formaler Zierrat zu sehen ist, sondern vielmehr rituellen Zwecken diente: Der „Geister“-Abwehr. Schamanische Kulturen weben und malen Netzmotive oder Karomuster, die imstande sind, Geister fernzuhalten.
Ähnlich scheint das kretische Labyrinth zu wirken. Im südöstlichen Indien wird von Hindu-Frauen vor der Türschwelle aus Gips und Mehl die Form eines siebengängigen Labyrinths ausgestreut, damit sich die Geister darin fangen und nicht ins Haus gelangen können. Auch die Umgangslabyrinthe in den französischen Kathedralen wie Chartres oder Arras, wurden im Westen angelegt, der „Todesrichtung“ aus der die Dämonen der Finsternis erwartet wurden. Zahlreiche römische Mosaiklabyrinthe, die vor der Schwelle von Häusern angelegt wurden, zeigen okkultes Wissen der Geisterabwehr. Aus den römischen „Collegia fabrorum“, die im 4. Jahrhundert ihre Hochblüte hatten, gingen die frühmittelalterlichen Bauhütten hervor, die ihr Wissen bis in das 18. Jahrhundert streng geheim hielten.
Auch in Fernost herrscht die Auffassung, dass sich Geister nur in gerader Linie fortbewegen. So werden in Japan und China Brücken oft im Zickzack gebaut, damit die Geister das (als Hindernis geltende) Wasser nicht in gerader Linie überqueren können. Am Eingang indonesischer Tempel befinden sich niedrige Mäuerchen, sogenannte „Geistermauern“, die der Dämonenabwehr dienen. In Europa wurden Geister an Wegkreuzungen gebracht, damit sie verwirrt sind und den Weg zurück nicht mehr finden können. Deshalb wurden oftmals auch Galgen an diesen Orten aufgestellt, damit die „unguten Seelen“ der Hingerichteten am Ort gefangen blieben. Diese Praxis führt aber dazu, dass diese Orte gemieden werden mussten.
Apotropäisch, also Unheil und Geister abwehrend, wirkt auch das Spiegelungsprinzip. In China werden die Dämonen mit dem Spiegel an der Haustüre, der in der Regel mit dem Bagua, den 8 Trigrammen umgeben ist, abgewehrt. Ebenso wurde in München der Basilisk im „Spiegelbrunnen“ durch das Anbringen eines Spiegels über dem Brunnenschacht besiegt. Aber auch in Dämonenfratzen, die oft die Zunge herausstrecken, erkennt sich der böse Geist wie in einem Spiegel selbst. Im Christentum führte dies zu den Wasserspeier-Wesen auf dem Dach der Kirchen.
Umgekehrt wurden auch schamanische Kulturen vom Christentum beeinflusst: Das Verwenden heiliger Symbole dient der Geisterabwehr. Die Schamanen Sibiriens nähten das christliche Kreuz in ihre Gewänder, weil sie es als wirksam erlebten. Auch in Mittel- und Südamerika kam es zu einer solchen Verquickung christlicher Schutzsymbole mit indianischen schamanischen Kulten und der mitgebrachten schamanischen Kultur afrikanischer Sklaven.
Text © Sibylle Krähenbühl/Stefan Brönnle
Bilder:
Wasserspeier/Firstfigur Notre Dame © Fotolia
Geisterfallen/Tibet © Fotolia
Zickzackbrücke China © Fotolia
Geisterfalle/Wasserburg © Stefan Brönnle
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