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Der rituelle Kreis und die geistige Grenze

04. Sept. 2016 | Von: Stefan Brönnle | Kategorien: Geomantie, Symbole, Rituale, Schamanismus | 0 Kommentare

Medizinrad im Rauch

Der Kreis stellt als Schutz- oder Bannkreis eine machtvolle Grenze dar, die schirmen und behüten kann.

Beim Aufbau eines Medizinrades (wobei es verschiedene Traditionen gibt) werden 36 Steine als Kreis mit Kreuz gelegt. Der erste Stein ist der “Schöpferstein” und liegt im Zentrum. Er manifestiert die heilige Mitte und die Anbindung an den Schöpfer (axis mundi). In einem ersten kleineren Kreis darum herum liegen Steine für “Mutter Erde”, “Vater Sonne”, “Großmutter Mond” und verschiedene Totem-Clans. Sodann werden vier Steine in die Kardinalrichtungen im äußeren großen Kreis gelegt. Anschließend wird der große Kreis durch 12 Steine geschlossen. Zum Abschluss wird die Mitte durch gelegte Steine mit den Kardinalrichtungen verbunden.

Allein die geistige Präsenz des Ritualleiters bewirkt den Aufbau des Energiefeldes mit Hilfe der Steine. Wie beim “Familienstellen” nach Bernd Hellinger steht jeder Stein stellvertretend für ein archetypisches geistiges Prinzip. Der Kreis des Medizinrades ist daher eine Veräußerlichung des inneren Zustandes des Ritualleiters, der diese Prinzipien in sich trägt und sich damit verbindet. Die innere Ausrichtung bewirkt eine äußere Ausrichtung der Steine. Ab dem Moment des Niederlegens eines Steines wird dieser zur manifestierten physischen Gestalt des jeweiligen geistigen Prinzips. Grundsätzlich ist dies der gleiche Vorgang wie beim en Ritual des Auftragens des Vastu-Purusha Mandalas in der indischen Geomantie. Das Sanktuar wird durch das Umschreiten und die geistige Präsenz erschaffen, Heiliges vom Profanen getrennt.

Wie stark diese Wirkweise ist, kann man durch einen einfachen Selbstversuch leicht nachvollziehen: Legen Sie ein leeres Blatt Papier vor sich auf den Tisch. Schließen Sie die Augen und bewegen Sie Ihre Hand in wenigen Zentimeter Abstand über das Papier. Wie fühlt es sich an? Verbinden Sie sich nun mit Ihrer eigenen Mitte. Verweilen Sie geistig dort, bis sie das Gefühl haben, ganz bei sich angekommen zu sein. Nun nehmen Sie einen Stift und malen Sie - immer noch verbunden mit ihrer eigenen Mitte - einen Kreis auf das vor Ihnen liegende Papier. Spüren Sie erneu nach, indem Sie die Hand über den Kreis halten. Können Sie eine Grenze zwischen innen und außen wahrnehmen? Wie fühlt sich die Mitte des Kreises an?

Nur durch die geistige Präsenz im Malprozess wird der einfache Kreis zu einem “heiligen Kreis”, zu einem Sanktuar. Ebenso wird durch das Zeichnen eines umgebenden Kreises in der Ritualmagie ein Sanktuar als Schutzzone geschaffen. Die Absicht der das Ritual durchführenden Person bewirkt, dass der Kreidekreis zu einem magischen Schutzkreis wird. Das Prinzip bleibt das Gleiche.

Schutzkreis
Schutzkreis

Eine solche Schaffung einer heiligen Grenze, einer solchen “geheiligten Zone”, ist fundamentale Voraussetzung für die Schaffung eines heiligen Raumes. Deshalb wird man in allen Kulturen ähnliche Rituale zur Vorbereitung eines physischen Tempels oder einer anderen Kultstätte finden.

Die rituelle Weihe der Kirche ist ebenso mit dem Umschreiten verbunden: Der Weihbischof umschreitet den Kirchbau und besprengt ihn dabei mit Weihwasser. Wieder am Portal angelangt, klopft er mit dem Bischofsstab an das Portal und ruft: “Aperite!” (“Öffne!”). Diese Handlung gibt sehr treffend den Aufbau des energetischen Schutzkreises und die rituelle Öffnung des Eingangs wieder.



Titel-Bild © Stefan Brönnle

Bild Schutzkreis: © Arson Krähenbühl

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