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Erde und Mensch: Das Märchen Der Teufel mit den drei goldenen Haaren

05. Feb. 2016 | Von: Stefan Brönnle | Kategorien: Mythen, Symbole, Schamanismus, Märchen | 0 Kommentare

Teufelsgestalt mit drei goldenen Haaren

Märchen sind Mythen mit einer tiefen Symbolik. Sie greifen zurück auf kulturelle seelische Erfahrungsschätze. Viele dieser Seelenerfahrungen reichen dabei weit in die grundlegende Beziehung von Erde und Mensch hinein. In dieser Reihe wollen wir dem geomantischen Gehalt einiger Märchen nachspüren.

Wer das Märchen nicht kennt und noch einmal lesen möchte, findet es hier.

Das Märchen Der Teufel mit den drei goldenen Haaren zeigt die klare Struktur einer schamanischen Reise: Wenn in indigenen Kulturen eine die Gemeinschaft bedrohende Situation eintritt – Dürre, schlechte Ernte, das Ausbleiben des Jagdwildes, oder eine Seuche – so macht sich der Schamane auf eine innere Reise zu den Geistern. Er macht sich auf, der Großen Göttin zu begegnen, dem Geist der Natur selbst und wählt dazu u.a. verschiedene Wirklichkeitsebenen wie z.B. die Untere Welt. Oft geben die Stammes- und Gesellschaftsmitglieder dem Schamanen noch Sekundärfragen mit auf den Weg, die ebenfalls von großer Wichtigkeit für die Gemeinschaft sind.

Die Hauptfigur des Märchens wird mit einer „Glückshaut“ geboren. Die Glückshaut ist eine haubenartige Eihaut, die bei der Geburt den Kopf eines Neugeborenen überziehen kann. In den Mythen gilt er als ein Zeichen einer gesegneten Person. Unser „Schamane“ ist also von Geburt an von der Natur selbst gesegnet, etwas Besonderes. Gleichzeitig werden Ihm wesentliche Stationen seines Lebens prophezeit. Er ist ein Auserwählter. Wie Moses wird er vom bösen König in eine Kiste – einem Sarg gleich – gelegt und in den Fluss geworfen. Natürlich kommt es dadurch zur selbsterfüllenden Prophezeiung, denn der Fluss ist der Lebensfluss selbst, der ihn seinem Schicksal entgegenträgt. Er wird von Müllern gefunden und aufgezogen. Der Müller ist selbst ein schamanisches Symbol, das in vielen Märchen auftaucht. Müller lebten abseits der Dorfgemeinschaft und beschäftigten sich mit dem magisch-alchemistischen Prozess Getreide in Mehl zu transformieren. Sie nutzten dazu den Mühlstein – Symbol der umkreisten Weltenachse. Als unser Protagonist zum Mann wird – er ist 2 x 7 = 14 Jahre alt und tritt damit aus der Kindheitsphase heraus in die eines Erwachsenen (Pubertät) – erfüllt sich sein Schicksal.

Wiederum greift das Schicksal kräftig ein: Ein Brief, dem ihn der König mitgibt und der sein Todesurteil enthält, wird von Räubern umgeschrieben und so erhält er die Prinzessin zur Braut. Der Schamane wandelt beständig an der Grenze zum Tod und erringt gerade dadurch die „Königswürde“. Bevor er jedoch die Königstochter heiraten darf, muss er die drei goldenen Haare des Teufels besorgen – eine klassische Queste.

Die im Christentum buchstäblich verteufelte Gestalt ist niemand anders als der „Wilde Mann“, der zum Beispiel im Keltischen als gehörnter Fruchtbarkeitsgott Cernunnos verehrt wurde, Jack in the Green, Maikönig, Garland oder gar „Robin Hood“ und natürlich in der griechischen Antike Pan sind andere Namen jener gestaltgewordenen Naturkraft, die oft gehörnt dargestellt wurde. Unser „Glückskind“ soll also die Macht des Naturgeistes selbst an sich bringen: Seine drei goldenen Haare. Der König möchte diese für seine materialistischen Bedürfnisse nutzen. Das Glückskind macht sich auf die klassische schamanische Reise zum Geist der Natur.

Auf dem Weg dorthin kommt er in eine Stadt, in der eine Quelle, aus der sonst Wein sprudelte, versiegt ist, eine Stadt, in der ein Apfelbaum, der sonst goldene Äpfel trug, verdorrt ist und schließlich zum Fährmann, der seinen Kahn nicht verlassen kann und gezwungen ist, Menschen überzusetzen.

Baum und Quelle sind beide klassische Paradiessymbole. Der Baum des Lebens im Paradies, bzw. die Apfelinsel Avalon, oder die Insel der Hesperiden, auf der die Bäume goldene Äpfel hervorbringen, gleichen dem Baum. Er ist verdorrt. Die Menschen haben ihre Verbindung zur Paradieswelt verloren. Auch die Quelle ist ein solches Paradiessymbol: Der germanische Weltenbaum Yggdrasil besaß an seinen Wurzeln den Urdarbrunnen und am Fuße des Lebensbaumes im Garten Eden entsprangen die 4 Weltenflüsse Gehon, Phison, Euphrat und Tigris. Auch die Quelle ist versiegt. Es obliegt dem Schamanen, dem „Glückskind“, in die jenseitige Welt zu reisen und zu erfragen, wie die Menschen wieder in Einklang mit der Natur kommen können – wie Baum und Quelle wieder heil(ig) werden.

Dazu muss das Glückskind zunächst über den Unterweltsfluss und sich vom Fährmann ins jenseitige Reich bringen lassen. In der griechischen Mythologie ist dies der Unterweltsfluss Styx, der vom Fährmann Charon überquert wird. Auch das Reich der germanischen Göttin Hel ist durch einen Fluss vom Diesseits getrennt. Der Fährmann ist an seinen Kahn gebunden, er muss übersetzen, wer danach begehrt.

So gelangt das schamanische Glückskind ins Reich der Großen Göttin, der germanischen Hel, der Frau Holle, der Hulda,…. Im Märchen ist sie schlicht des Teufels Großmutter oder „Ellermutter“, die „Große Ahnin“. Es mag sein, dass der Naturgeist, der Wilde Mann, große Macht besitzt, doch letztendlich bezieht er diese von der großen Göttin. Sie, des Teufels Großmutter, hilft unserem Helden die drei goldenen Haare zu erwerben und zugleich die Antworten zu finden, die die Menschen ans Paradies zurückbinden. Im Schlaf reißt sie dem Teufel Haar für Haar aus und stellt ihm jedesmal, wenn er aufschreckt, eine der Fragen. So erfährt der Schamane in Gestalt einer Ameise als „Krafttier“, dass eine Maus an den Wurzeln des Paradiesbaumes nagt und eine Kröte unter einem Stein die heilige Quelle verstopft und schließlich, dass der Fährmann sein Amt an jeden übergeben kann, der mit ihm fährt.

So kehrt das Glückskind zurück in die physische Welt, bringt die Welt zurück in paradiesische Harmonie und wird selbst König. Der böse König aber wird durch eine List ebenfalls über den Unterweltsfluss geschickt, wo der Fährmann ihm sein Amt übergibt

So zeigt das Märchen Der Teufel mit den drei goldenen Haaren was in schamanischen Kulturen noch heute üblich ist und auch bei uns einst üblich war: Einen Grenzgänger, der die Brücke zur Anderswelt, zum Jenseits und damit der großen Göttin selbst und ihren Naturkräften hält und damit eine zentrale Rolle im Verhältnis von Erde und Mensch spielt.

Bild © Fotolia

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