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Erde und Mensch: Das Märchen >Rumpelstilzchen<

06. Feb. 2015 | Von: Stefan Brönnle | Kategorien: Geomantie, Mythen, Symbole, Märchen | 0 Kommentare

Spinnrad vor Stroh und Gold

Märchen sind Mythen mit einer tiefen Symbolik. Sie greifen zurück auf kulturelle seelische Erfahrungsschätze. Viele dieser Seelenerfahrungen reichen dabei weit in die grundlegende Beziehung von Erde und Mensch hinein. In dieser Reihe wollen wir dem geomantischen Gehalt einiger Märchen nachspüren.

Wer das Märchen nicht kennt und noch einmal lesen möchte, findet es hier: Rumpelstilzchen

Auch wenn es auf den ersten Blick anders erscheint: Das Märchen Rumpelstilzchen geht im Grunde nicht gut aus und ist daher eher Mahnung als Hoffnung. Wir alle kennen die Interpretationen des Märchens, die durchweg alle das Männlein Rumpelstilzchen als einen bösen Geist erscheinen lassen, doch lesen wir das Märchen genau nach, ist es vor allem eins: Ein betrogener Geist…

Im Mittelpunkt des Märchens steht die Müllerstochter. Müller galten von jeher als geradezu alchemistische Persönlichkeiten. Ihre Mühle stand oft weit ab von der Dorfgemeinschaft, sie nahmen Elementarkräfte wie Wind und Wasser als Helfer und verstanden den „alchemistischen Prozess“ der Erschaffung von Nahrung. Wichtig dabei ist stets auch die Rotation des Mühlrades, die der Rotation der Erde, oder vielmehr des Himmelsgewölbes um die Axis mundi, die Weltenachse glich. So waren Müller den Schamanen verwandt, den Magiern und Zauberern, die mit Hilfe der Elemente und ihrem Wissen um die Geheimnisse des Universums Transformationen bewirken konnten. In der märchenhaften Erzählung um Krabat von Ottfried Preußler, kommt dies im knochenmahlenden Müller mit seinen magischen Kräften gut zum Ausdruck. Der Müller erscheint hier beinahe als männliches Abbild der schwarzen Göttin, die mit ihrem Wandlungsrad, die Transformation bewirkt und Leben in Tod und Tod in leben verwandeln kann.

Die Müllerstochter steht natürlich in dieser Tradition – oder ist es nicht vielmehr so, dass der Müller in der Tradition der Großen Spinnerin, der Wandlungsgöttin, steht?
Doch die Zeit hat sich geändert. Der Müller prahlt zwar nach außen hin von der Gabe in seiner Familie, doch er versteht nichts mehr davon: „»ich habe eine Tochter, die kann Stroh zu Gold spinnen.«

Auch die Müllerstochter, einst Abbild der Wandlungsgöttin, ist längst vom Patriarchat vereinnahmt und versteht nichts mehr von den ihr eigenen Kräften. Sie beherrscht nicht, was der Vater vorgibt. Das Leben der Müllerstochter wird von Männern bestimmt: Von der Arroganz ihres Vaters und der Habgier des Königs. Sie ist nicht in ihrer Kraft. „Als nun das Mädchen zu ihm [dem König] gebracht ward, führte er es in eine Kammer, die ganz voll Stroh lag, gab ihr Rad und Haspel und sprach »jetzt mache dich an die Arbeit, und wenn du diese Nacht durch bis morgen früh dieses Stroh nicht zu Gold versponnen hast, so musst du sterben.«“ Obgleich Ihr ein Spinnrad gegeben wird, das Attribut der Großen Göttin, weiß sie damit nichts mehr anzufangen. Sie weiß nicht wie man das Stroh – den Abfall der Ernte – wieder in Gold – in Bewusstsein und inneren Reichtum – spinnt. Darum ist auch sie eine gewöhnliche Sterbliche.

Doch, ohne dass die Müllerstochter es extra rufen muss, tritt wie selbstverständlich ein Männlein zu ihr, um ihr zu helfen. Dies zeigt, dass die Müllerstochter, wenn auch unbewusst, noch immer mit den Kräften der Natur verbunden ist.

Rumpelstilzchen ist ganz offenbar eine Art Naturgeist, denn es wohnt weit ab der Menschen tief im Wald, „wo sich Fuchs und Hase Gutenacht sagen“, d.h. wo die Tiere noch in Kommunikation stehen. Rumpelstilzchen versteht sich auf das Backen und das Brauen, also auf transformative Prozesse. Es ist ein typisches Feuerwesen (Feuer ist die Kraft der Transformation), deswegen tanzt es auch ums Feuer und deswegen beherrscht es letztendlich auch die Kunst aus Stroh Gold zu spinnen. Es wundert daher auch nicht sein cholerisches Temperament, als Feuerwesen ist dies ihm zu Eigen.

Das Rumpelstilzchen gibt es in verschiedenen Völkern und Sprachen, in alten und neuen Fassungen und immer wieder abgewandelt. So wird es mancherorts auch "Tim Tit Tot" oder "Titteliture" genannt. Interessanterweise gibt es in Skandinavien „Tomte Tummetot“ als einen durchaus hilfreichen Geist, wie ihn auch Astrid Lindgren in Geschichten beschrieb. Rumpelstilzchen muss daher gar nicht als so böse gesehen werden, wie dies viele Märcheninterpretationen unhinterfragt übernehmen. Sigmund Freud meinte in Träumen von Frauen häufig "Rumpelstilzchen-ähnliche Männchen" zu finden, sie kämen immer dann wenn guter Rat teuer ist. Und C.G. Jung bestätigt, dass der Geist in Träumen von Frauen oft groteske Zwergformen hat. Im Traum wie im Märchen tritt er auf, wenn guter Rat fehlt. Greis und Knabe gehören zusammen, sie bilden den Mercurius der Alchemie. Eindeutig ein Geist der Transformation.

Nun, Rumpelstilzchen fordert etwas ein, für seine Hilfe. Doch ist dies keine Gier, es ist ein altes Zeichen des Respektes. Bereitwillig gibt er sich auch mit einer schlichten Halskette zufrieden. Nach einander schenkt die Müllerstochter dem hilfreichen Geist zu nächst ihre Halskette und dann ihren Ring. Halsketten stehen symbolisch häufig im Sinne der Amtskette für Würde und Ehre. Die Müllerstochter zeigt damit zum einen, dass Sie durchaus in der Würde einer Hüterin und Vertreterin der Großen Göttin steht. Darum hilft ihr Rumpelstilzchen bereitwillig das erste mal. In der zweiten Nacht gibt sie dem Geist ihren Ring. Der Ring ist ein Symbol des Bewusstseins (vergl. Sonnensymbolik), aber noch viel mehr ein Symbol der Verbindung und des Versprechens. Die Müllerstochter zeigt mit dieser Gabe, dass sie sich ihrer Rolle bewusst ist und bereit ist, die Rückverbindung mit den Kräften der Natur einzugehen.
In der dritten Nacht schließlich fordert Rumpelstilzchen das erste Kind der Müllerstochter. Dies mag schockierend wirken. Doch wird nicht erwähnt, was der Geist mit dem Kind vorhat. Ich denke, es ist das Versprechen, das eigene Kind in der TRADITION des Naturwissens zu erziehen. Nach der Ehrung (Kette) und dem Ring (persönliche Verbindung) soll nun die Ahnenlinie fortgesetzt werden.

Doch als es an der Zeit ist, will die nunmehr zur Königin aufgestiegene Königstochter, von diesem Versprechen nichts mehr wissen. Durch die Rückverbindung zu ihrem Urwissen ist sie zur Königin aufgestiegen und doch ist sie tief im patriarchalen System hängen geblieben. Sie hat gelernt, Stroh zu Gold zu spinnen, aber sie erkennt darin nicht mehr die Bewusstseinskraft, sondern sieht nur noch den materiellen Glanz und Reichtum. Darum verweigert sie die Ahnennachfolge. Von materiellen Gütern, die ihm angeboten werden, will aber eben der Naturgeist nichts wissen: »nein, etwas Lebendes ist mir lieber als alle Schätze der Welt.« Doch noch einmal erbarmt er sich: Wenn die Königin seinen Namen wüsste, wäre dies ein Zeichen, dass Sie mit den Kräften der Natur vertraut ist und ihr Kind in diesem Sinne erziehen könnte…..

Wir kennen den Ausgang der Geschichte, die Königin weiß den Namen nicht. Sie schickt stattdessen wieder Männer aus, um den Namen zu erforschen – ein Symbol der sinnentleerten Naturwissenschaft. Mit ihrer Hilfe gelingt es ihr tatsächlich Macht über die Naturkraft zu gewinnen (der wahre Name einer Sache oder Person verheißt Macht), doch letztendlich zerstört dieses Wissen und die mit ihm verbundene Macht die Kraft der Natur. Die Transformation, die Macht des Sterbeprozesses, aus dem neues Leben entsteht und aus Stroh Gold wird, hat in einer auf materiellen Reichtum ausgerichteten Kultur keinen Platz. Wie in der Atomkraft kann die Macht nur durch das Zerreißen des Atoms nutzbar gemacht werden und so wird auch Rumpelstilzchen – der hilfreiche, betrogene Geist – zerrissen.

Das Märchen ist eine Mahnung und ein Aufruf, vor allem an die Frauen, sich der patriarchalen Herrschaft (Müller, König,…) zu entziehen und sich auf die eigene Macht zurückzubesinnen, ehe die ganze Natur zerrissen wird.

Bild © Stefan Brönnle

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