Die Geomantie ist eng mit Mythen und der Verwendung von Symbolen verbunden. Insbesondere baulich gefasste, also in Architektur und Landschaftsgestaltung gefestigte, Symbole sind fester Bestandteil geomantischer Forschung und aktiver geomantisch-ritueller Gestaltungen. Eines dieser baulich gefassten Symbole ist der Obelisk (aus dem Greichischen obeliskos = Spitzsäule). Obelisken stellen frühe architektonische Symbole dar. Wie die Pyramide ist der Obelisk ein Symbol der Sonnenstrahlen und damit der die Götterwelt und die Menschenwelt verbindenden Axis Mundi (Weltenachse). Ihre früheste Verwendung erfuhren Obelisken vor den Tempeln des Sonnengottes Re in Heliopolis, dem alten „On“.
Als Zeiger des vom Licht der Sonne initiierten Schattenwurfes, stellt der Obelisk ein klassisches Gnomon dar. Der Schattenlauf zeigte so die Fahrt der Sonnenbarke auf und ließ sie auf der Erde erlebbar werden. Dieses rhythmische Erscheinen und verschwinden der Sonne (und ihres Schattens), machten Re seinerseits zu einem Sinnbild der Weltordnung, Hüter des Rechts und der zwischenmenschlichen Beziehungen in Handel und Religion. Dieser Anspruch drückt sich gleichsam auch im Symbol des Obelisken aus. Die deutlich phallische Form weist mit darauf hin, dass der mit dem Obelisken ausgedrückte Machtanspruch bereits auf patriarchalem Denken beruht. Hier wird der Obelisk zu einem Zeugnis der Erneuerung, der Potenz und Macht, sowie der Aufwärts- und Höherentwicklung des Menschen zum Licht, der Sonne (als Bewusstseinssymbol) entgegen.
In diesem Sinne findet der Obelisk auch in moderneren rituellen Bauakten Anwendung, sei es durch die Verwendung historischer Obelisken oder dem Bau neuer Stelen. Drei Obelisken in moderneren rituell-symbolischen Gestaltungen sollen in diesem Zusammenhang besondere Aufmerksamkeit erhalten:
1. Der vatikanische Obelisk
Der sogenannte Vatikanische Obelisk wurde 1586 unter Mithilfe von 900 Arbeitern (3 x 3 x 100) und 75 Pferden*, errichtet. Er ist 25 Meter hoch und stand als historischer Obelisk zuvor in einem Circus des Kaisers Nero. Über die Hinrichtung des Petrus wird ein symbolischer Bezug für seine Verwendung hergestellt. Der Obelisk steht interessanterweise nicht exakt im Zentrum des Petersplatzes, sondern ist um 3,8 Meter nördlich aus der Längsachse verschoben.
Der Obelisk auf dem Petersplatz kann als ein Symbol des religiösen Machtanspruches gedeutet werden, den Weg des Menschen zu Gott zu weisen, der auch im christlichen Kontext solare Symbolik erhält. Der Papst im Vatikan regelte zudem das zwischenmenschliche Zusammenleben (Eheschließung war ehemals nur durch die Kirche möglich!) und greift damit auf die Attribute des Re zurück.
Die Vatikanstadt selbst ist der kleinste allgemein anerkannte Staat der Welt. Der Staat wird regiert durch eine absolute Wahlmonarchie, die nach wie vor nicht absolut-demokratisch ist.
(* interessanterweise hat das chemische Element Rhenium die Ordnungszahl 75 und wird „Re“ abgekürzt, allerdings wurde dieses erst im 19. Jahrhundert entdeckt)
2. Die Nadel der Kleopatra
Die sogenannte „Nadel der Kleopatra“ ist ebenfalls ein historischer Obelisk, der in eine neue rituelle Gestaltung eingebunden wurde. Ursprünglich handelte es sich um zwei Obelisken, die von Thutmosis III. im 15. Jahrhundert v. Chr. in Heliopolis (On) vor dem Tempel des Sonnengottes Re errichtet wurden. Im 19. Jahrhundert wurden sie von der ägyptischen Regierung durch den Vizekönig von Ägypten, verschenkt: Der fast 22 m hohe Obelisk wurde 1877/78 nach Großbritannien gebracht, wo er am 12. September 1878 in London am Nordwestufer der Themse, in der City of London aufgestellt wurde.
Sie City of London ist zwar kein eigenständiger Staat wie der Vatikan, jedoch handelt es sich um eine sogenannte zeremonielle Grafschaft, die einen besonderen politischen Status genießt. Sie besitzt beispielsweise eine eigne Polizeibehörde, die City of London Police, während das übrige Stadtgebiet Londons in die Kompetenz der Metropolitan Police fällt. Die City of London wird von der City of London Corporation verwaltet, dessen Vorsitz der Lord Mayor of London innehat. Auch die City of London ist kein demokratischer Bezirk. Da die Wirtschaftsvertreter einen überproportionalen Einfluss ausüben, kann man das Wahlverfahren der Corporation kaum demokratisch nennen. Seit Elisabeth I. ist es Tradition, dass der jeweilige britische Monarch vor dem Betreten der City of London am Temple Bar ein Gesuch an den Lord Mayor of London stellt. Als Zeichen der Loyalität wird vom Lord Mayor daraufhin das Sword of State präsentiert.
Der Obelisk ist hier als ein Symbol der wirtschaftlichen Macht zu verstehen, denn sie ist eines der größten Zentren der Banken, des Aktien- und Devisenhandels, zugleich ist sie die wohl größte Steueroase der Welt. Hier kann man von „weltlichen Gesetzen“ relativ unbelastet seinen Geschäften nachgehen, denn die City of London hat ihre eigenen Gesetze und verwaltet sich selbst, kein Gericht kann sie belangen und keine Regierung ihre Geschäfte kontrollieren!
3. Washington Monument
Das Washington Monument ist mit seinen 169,3 Metern das höchste Steinbauwerk der Welt. Der Obelisk befindet sich auf der Verbindungsgeraden zwischen Kapitol und dem Lincoln Memorial in Washington. Die als Teil des Blitzableitersystems ausgebildete 22 cm hohe Spitze dieser Pyramide besteht aus 2,85 kg reinem Aluminium, was zur Zeit seiner Errichtung in der Wertigkeit von Silber gehandelt wurde.
Der neuzeitliche Obelisk (Grundsteinlegung 4. Juli 1848) ist ein starkes Symbol weltlich-politischer Ordnung und Macht. Er befindet sich innerhalb zweier gestalteter sich überschneidender Kreise, einer sogenannten Vesica piscis (Fischblase, oder Mandorla). Es ist unschwer darin die Form der Vulva wiedererkennbar, die vom mächtigen Phallus des Washington Monument durchdrungen wird. Das genannte Blitzableitersystem des Obelisken lässt diesen zu einer wahren Axis Mundi (Weltenachse) werden.
Washington ist eine Planstadt, deren Baum am 13. Oktober 1792 begonnen wurde. Als Vorbild für die Stadtgestalt diente u.a. Karlsruhe, das Thomas Jefferson während seiner Deutschlandreise am 15. April 1788 besuchte. Am 11. Juni 1800 wurde Washington ständige Hauptstadt der Vereinigten Staaten.
Es wundert beinahe nicht mehr, dass auch Washington D.C. kein Bundesstaat der USA ist. Vielmehr ist es dem Kongress der Vereinigten Staaten unmittelbar unterstellt. Washington ist u.a. Sitz des Obersten Gerichtshof, des Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und der Organisation Amerikanischer Staaten.
So ist es nicht überinterpretiert den Obelisken des Washington Monuments als ein Symbol für den Weltordnungs- und Militärmachtanspruchs der sich selbst als „Leitkultur“ verstehenden Vereinigten Staaten zu sehen.
Drei Obelisken – drei Herrschaftsansprüche patriarchaler Macht:
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Vatikanischer Obelisk -Vatikan: Religion und Glaube
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Nadel der Kleopatra – City of London: Handel und Finanzwesen
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Washington Monument – Washington D.C.: Weltordnung und poltisch-militärische Macht
Deutlicher als in dieser Trinität kann man die Symbolik des Obelisken kaum ausdrücken. Man mag darüber spekulieren, ob es sich in diesem Dreigestirn mit Obelisken geschmückter „Stadtstaaten“ um eine Synchronizität (sinnhafte „Zufälligkeit“) handelt, oder ob hinter der architektonischen und politischen Ausgestaltung ein bewusster willentlicher Akt steckt.
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