Wales trägt seit 1807 einen roten Drachen auf weißem und grünem Grund in seiner Flagge. Zudem lautet der walisische Walspruch „Y Ddraig Goch ddyry cychwyn“ (Der rote Drache geht vor). Dieser rote walisische Drache ist mit einer Legende verbunden:
In den Bergen von Snowdonia in Nordwales erbaute der König Vortiger eine Burg mit einem Turm. Sie sollte ein Bollwerk gegen die Sachsen sein. Doch so oft Vortiger den Turm auch befestigen ließ, er stürzte immer wieder ein. Wahrsager rieten dem König ein vaterloses Kind zu finden und mit dessen Blut die Mauern zu bestreichen, damit sie standfester würden. Tatsächlich fand man dieses Kind und brachte es vor den König. Nach der Historia Britonum aus dem 9. Jahrhundert soll es sich um Ambrosius gehandelt haben, dessen Vater ein römischer Konsul gewesen sein soll. Doch die Legende besagt andererseits auch, dieses Kind sei Merlin gewesen.
Das weise Kind nun wollte sein Leben erkaufen, indem es Vortiger den wahren Grund für den Einsturz der Mauern sage und der König willigte ein: Ambrosius/Merlin erklärte, der wahre Grund für das Schwanken des Turmes sei ein Sumpf unter der Burg, in dem zwei Drachen lebten, ein roter und ein weißer. Die Bewegungen der Tiere würden die Mauern erzittern lassen. So ließ Vortiger graben und den Sumpf trockenlegen. Tatsächlich traf man auf die beiden Drachen, die erwachten und sich sofort aufeinander stürzten.
Dies hatte Ambrosius/Merlin ebenfalls prophezeit: „O weh, das Ende des Roten Drachen ist nahe! In seiner Höhlenwohnung wird sich der Weiße Drache einnisten, hinter dem sich nichts anderes verbirgt als die Sachsen, die du hergeholt hast. Der Rote Drachen steht für das Volk der Briten, die der Weiße Drache besiegen wird: denn die Berge und Täler Britanniens werden ineinanderfallen und die Bäche und Flüsse sich in Blut verwandeln.“ Doch am Ende, so das Kind, würde der rote Drache den weißen überwinden.
Genau hier gehen die Legenden auseinander. Die walisische Version besagt, dass der rote Drache für die keltischen Briten stünde und den weißen Drachen am Ende doch bezwang. Darum der rote Drache in der Nationalflagge von Wales, der für den Mut und das Durchhaltevermögen stehe. Es gibt aber auch Mythen, die sehen einen Zusammenhang mit der Arthussage. Hier verbrennt der weiße Drache am Schluss den roten, denn der König Vortiger sei ein Usurpator und der wahre König der Briten sei Uther Pendragon (der Vater Arthurs). So wie der weiße Drache den roten überwunden hätte, würde Uther Vortiger bezwingen.
Wir erkennen, dass schon früh Mythen für Propagandazwecke so oder so ausgedeutet und abgeändert wurden. Befreien wir die Sage von politischen Ambitionen, so erkennen wir erneut das Ringen zweier Kräfte: Der kosmisch-geistigen (weißen) und der irdisch-vitalen (roten). Wer gewinnt, ist eine Frage der inneren Haltung: Das geistige Prinzip (weiß), dem auch im Gralsmythos gehuldigt wird, oder das rote Vitalkraftprinzip, das sich Wales zu eigen machte.
oben: Flagge von Wales
unten: Historia Regum Britanniae.15. Jh.
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