
Die Psychologie sieht im Baum ein Sinnbild der Psyche. C.G. Jung schreibt in “Der philosophische Baum”: ”Der Baum ist sozusagen eine Wandlungsform des Menschen, indem er einerseits aus dem Urmenschen hervorgeht und andererseits zum Menschen wird”. Die Verwandtschaft zeigt sich schon im Sprachgebrauch. Wir sprechen von “Abstammung”, “Stammbaum” und “Stammhalter”.
Die Edda lässt die ersten Menschen aus Bäumen entstehen, den Mann aus der Esche, die Frau aus der Ulme. Nach dem Mythos der Sioux haften zwei Bäume mit ihren Wurzeln in der Erde, bis eine Schlange (!) sie durchbeißt und sie als Menschen fortgehen. Und in der mixtekischen Kultur Mexikos entsteht das erste Menschepaar aus einem gespaltenen Baumstamm.
In zahlreichen Mythen werden Menschen zur Strafe oder Belohnung in Bäume verwandelt. Weil Myrrha ihren Vater zum Beischlaf verführt hat, verwandeln sie die Götter zur Strafe in einen Myrrhenbaum.
Daphne entgeht den Nachstellungen Apolls, indem sie sich in einen Lorbeerbaum verwandelt. Philemon und Baucis werden zur Belohnung für ihre Liebe nach dem Tod in zwei verschlungene Bäume verwandelt.
Auf die Verwandtschaft zwischen Baum und Mensch weist auch das sogenannte “Wenden” von Krankheiten hin. Dabei wurde die Krankheit des Menschen auf den Baum “abgewendet”. Man ging z.B. bei zunehmendem Mond zu einer Weide und sprach:
"Guten Abend, liebe alte Weide,
ich bring' Dir meine Zahnschmerzen heute
und wünsche Dir, dass sie bei Dir bestehen
und bei mir vergehen."
Andererseits traf das älteste deutsche Marktrecht den Baumfrevier, der einen Baum durch Abschälen der Rinde geschädigt hatte. Es wurde ihm solange das Gedärm aus dem Leib gewunden, bis seine Länge der der geschälten Rinde entsprach, und wer einer Eiche den “Poll abhaute”, dem sollte der Kopf abgehauen werden.
Alt ist der Brauch, zur Geburt dem Kind einen Baum zu pflanzen, der dann zum Schicksalsbaum wird: Man glaubt, dass, wenn der betreffende Mensch stirbt, auch der Baum eingeht.
Bild: © Stefan Brönnle
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