Worin zeigt sich ein "starker Platz"? Dieser Frage hing ich nach, als ich im August einige auf jeden Fall äußerlich sehr spannende Orte in der Schweiz besuchte (und über die es in Bälde auch Videobeiträge geben wird). In der Geomantie sind natürlich Systeme vertraut wie die Bovismetrie oder die Intensitätsmessung der Physikalischen Radiästhesie, die sich darum bemühen, scheinbar absolute Werte für die "Stärke" eines Platzes zu liefern. Doch ist eine so gemutete Quantität tatsächlich eine Referenz für eine innere Stärke, die Qualität eines Platzes?
Zwei Orte möchte ich hier als ein Beispiel hervorheben. Da ist zum einen die Beatushöhle am Thunersee. Die Legende besagt, sie sei einstmals die Wohnstätte eines Drachen gewesen, bis der heilige Beatus den Drachen "durch die Kraft Gottes" vertrieb und sich hier niederließ. Der Ort - ein gut 1 Kilometer langes begehbares Höhlensystem - ist touristisch stark vereinnahmt: Das Höhlensystem ist für jung und alt gut begehbar, durchsetzt mit Bildschirmen, die meist das Offensichtliche erklären, besitzt ein eigenes Logo und ein Drachenpüppchen, das den Ausgang ziert. Man erhält im Restaurant Drachenmenüs und kann die Höhlen sogar für Events mieten. Offenbar ist da nicht mehr viel von der Ursprungskraft erhalten, so sollte man meinen. Und doch wird unter diesem ersten und offensichtlichen Onlay in manchen Höhlenbereichen ein tief verwurzeltes Bewusstsein, das ich eben als "Drachenbewusstsein" kenne, spürbar, wenn es einem gelingt, die munter brabbelnden Kinder und die beständigen Witzeleien der Jugendlichen auszublenden.
Es hat sich in
diesen Höhlen etwas erhalten, eine tiefe Kraft und eine Beziehung
zur Erde, die auch der Tourismus nicht totzutrampeln in der Lage war.
Sind also die Beatushöhlen ein Kraftort? Sind sie ein "starker
Platz"? Wer nicht in der Wahrnehmung geschult ist, den werden
die sicherlich beeindruckenden Felsformationen und Wasserfälle so
vereinnahmen, dass er darin die Kraft des Ortes zu erkennen glaubt -
und doch wieder nur die Oberfläche sieht. Er wird meinen, einen
Kraftort erlebt zu haben und wurde doch nur vom Marketing erfüllt.
Und doch.…
Wer tiefer blicken, tiefer spüren kann, erlebt in
den sich unablässig sich schlängelnden, glucksenden und gurgelnden
Wasserläufen in der Tiefe der Erde die innere Kraft des
Seelenwassers aus der Tiefe Gaias, erahnt das Bewusstsein des
Drachens in manchem sich eröffnenden Raum und kann unter dem Gelärm
der Touristen die Stimme Gaias flüstern hören. Insofern ist es ein
Platz, der die Stärke besitzt, der Vermarktung Widerstand entgegen
zu bringen und einen Teil seines Kraft zu bewahren.
Ein anderer Ort sind die Menhirreihen von Yverdon am Neuenburgersee. Über 30 Menhire formieren sich hier zu zwei Steinreihen und mehreren Gruppen. Obgleich manch Stein nicht mehr auf seinem ganz originalen Platz steht, ist die Rekonstruktion des einstmals vom Seewasser überspülten Kultplatzes gelungen - wie ich finde. Radiästhetische Strukturen wie eine Venuslinie und eine Drachenlinie sind mutbar und auch ätherische Kräfte sind präsent. Die Reihen sind offensichtlich astronomisch orientiert, u.a. zu den Sonnenauf- und untergängen zu Samhain und Beltaine.
Offensichtlich wird der Platz auch nach wie vor rituell genutzt wie mit Pflanzenfarben gemalte Symbole auf einem der größten Menhire zeigen. Der Platz sollte also stark und lebendig sein.
Und doch.... im Austausch mit meiner Partnerin Sibylle erschien mir der Ort auf einer seelischen Ebene unangebunden und leer, er hatte irgendwie kein Charisma. Dann wieder erschien er mir in einer kurzfristig aufflammenden Wahrnehmung hell und solar, aber so als stamme diese Wahrnehmung aus einer viel späteren Zeit, in der der Platz zwar genutzt, aber gar nicht mehr so recht verstanden war.
Sind also die eindeutig kultischen Steine von Yverdon ein Kraftplatz? Ist es ein "starker Platz"?
Was in der Beatushöhle zwar nur flüsternd aber doch nachhaltig spürbar war und von den Besucherströmen übertönt wurde, ist bei den Steinen von Yverdon irgendwie nicht greifbar, obgleich sich radiästhetische Spuren erhalten haben. Welchen der Plätze sollte man also als "Kraftplatz", als "starken Ort" ansprechen? Sicherlich ist eine solche Etikettierung auch abhängig von den persönlichen Erfahrungen und dem Setting, in dem man den Platz erlebt. Gibt es also überhaupt so etwas wie eine geomantische Bewertung als "Kraftort", die über die reine Quantität eines Boviswertes hinausgeht? Welcher der beiden Orte hatte mehr Kraft?
Im Nachklang war es sicherlich die Beatushöhle, da es MIR dort gelungen war, den Kontakt zur Urkraft des Ortes aufzubauen. Hat sich mir diese aber an den Menhiren vielleicht lediglich entzogen? War ich dort unfähig, die Urkraft des Ortes bis auf kurze Blitzlichter wahrzunehmen? Sollte man das dem Ort anlasten?
Diese Fragen zeigen ein Dilemma, in dem die Geomantie grundsätzlich steht. Sie ist eben keine Wissenschaft im heute üblichen Sinne. Sie verbindet Methodisches mit zutiefst Subjektivem, Äußerliches mit Innerlichem. Und genau diese Unwägbarkeit zwischen Objektivem und Subjektivem, die "Intersubjektivität", macht sie für mich zu einer Hoffnungsträgerin in dieser Wandelzeit. Die reine Verwissenschaftlichung hat sich m.E. ausgeliefert und wurde durch ihre elitäre Spezifität, die oft nur noch von Experten verstanden werden kann, zu einer nicht mehr für alle Menschen wahrnehmbaren Realität. Sie hat sich vom Sein als solches entfernt. Die intersubjektive, sich zwischen Objektivem und Subjektivem, zwischen Mess- und Fühlbarem windende Art, die der Geomantie ebenso zu eigen ist wie z.B. auch der schamanischen Erfahrung, verbindet gleichsam äußerlich Strukturelles und innerlich Erfahrbares. Auch wenn wir dazu den Boden einer objektiven Realität verlassen müssen, erhalten wir dafür eine ganzheitlich erlebbare Wirklichkeit und ohne diese wird der Mensch ein neues Verhältnis zur Erde kaum wiederfinden. Das Dilemma ist also in Wirklichkeit eine Brotkrumenspur in eine andere Seinsweise. Die Stärke eines Platzes liegt damit ein stückweit in uns und kann hier auch zurückgewonnen werden.
Bilder © Stefan Brönnle
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