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Seelenkonzept in Schamanismus und Christentum

26. Juli 2020 | Von: Stefan Brönnle | Kategorien: Schamanismus, Seele, Philosophie | 0 Kommentare

Dorian Gray: Mensch und Seele im Bild

In vielen schamanischen Kulturen ist der Begriff der Seele anders definiert als in unserem verbreiteten christlich-kulturellen Weltbild. Hier gibt es Seelendiebstahl, Seelenverlust, Seelenteilung, Seelenbesetzung u.v.m. Oft stößt dies auf Verwirrung, ja Verstörung in unserer Kultur. Wir haben scheinbar tief verinnerlicht, die Seele sei mit unserem Wesen, ja unserem Bewusstsein, identisch. Wie sollte da ein Seelenverlust möglich sein? Schamanische Denkweisen wie diese werden daher geradezu empört zurückgewiesen. Betrachten wir jedoch Sagen, Philosophien und Literatur aus dem westlichen Kulturkreis, wird schnell offenbar, dass diese philosophische Grundhaltung (Seele = Bewusstsein) eine sehr enge Auslegung vor allem der jüngeren Zeit ist.

Noch im 17. Jahrhundert legte der Philosoph René Descartes dar, dass Tiere seelenlose Automaten seien, sie besäßen also gar keine Seele. Obwohl sich die Grundidee dieses schrecklichen Gedankens bis in die Massentierhaltung und Massenschlachtbetriebe unserer Zeit fortsetzt, ja ihnen das ethische Fundament bietet, so waren sich die Gelehrten lange einig, dass Tiere sehr wohl ein Bewusstsein besäßen. Seele und Bewusstsein wurden und werden demnach als zwei völlig verschiedene philosophische Konstrukte gesehen. So verfeinerte Thomas von Aquin den Gedanken in: Tiere besitzen keine unsterbliche Seele. Die Seele des Tieres würde also den Tod nicht überdauern.

Auf der Synode von Macon im 6. Jahrhundert erörterte man gar, dass Frauen keine Seele hätten. Auch hier wird Bewusstsein und Seele als etwas vollständig Getrenntes gesehen. (Wir müssen nicht extra die extrem sexistische Frauenverachtung eines solchen Gedankens erörtern!)

Die Seele galt also bis ins 20. Jahrhundert hinein mitnichten als identisch mit dem erfahrenen Bewusstsein. Wie die folgenden Beispiele zeigen, ist auch in unserer christlichen Kultur der Gedanke des Seelenverlustes gebräuchlich. Meist tritt er in den Sagen und Legenden in Verbindung mit dem Teufelspakt auf, wobei der menschliche Vertragspartner seine Seele dem Teufel überschreibt. Sicherlich lassen sich viele Sagen aufzeigen, in denen dem Teufel die Seele erst nach dem Tode des Vertragspartners übereignet wird. Nichtsdestotrotz gibt es ebenso reichliche Beispiele von Sagen, in denen der Teufel die Seele sofort beansprucht und der Mensch dennoch weiterlebt. 1716 wurde in England eine Frau als Hexe verbrannt, die sich magische Eigenschaften erworben hatte, weil und nachdem der Teufel ihre Seele entfernt hatte.

Oft wird dieser - nennen wir ihn schamanische - Aspekt des Seelenverlustes zu Lebzeiten sozusagen verschleiert, weil nicht die Seele selbst benannt wird. Vielmehr sind es Organe und Körperteile, die als Sitz der Seele galten, die den Besitzer wechselten.

Als ein solcher Seelenträger gilt das Blut. Mit dem Blut übereignet der Mensch sozusagen seine Seele (oder eine seiner Seelen - aber das würde hier zu weit führen) einem anderen Menschen, einem Gott, oder eben im Christlichen dem Teufel. Als Quintessenz des Lebens gilt damit das Blutopfer als jenes mit der seelisch am stärksten bindenden Kraft. Blutsbrüder vermischen sozusagen ihre Seelen und binden diese aneinander. Wer einem Gott das eigene Blut opfert, vereinigt sich mit diesem (auch aus dieser Perspektive lohnt ich eine Betrachtung der Eucharistie!).

Als ein weiterer Seelenträger galt der männliche Same. 1484 machte Papst Innocenz VIII. in seiner ersten päpstlichen Bulle auf die Existenz von Succuben aufmerksam. Als ein Succubus gilt ein weiblicher Dämon, der des Nachts einen Mann verführt und durch die nächtliche Ejakulation mit dem Sperma auch die Seele des Mannes raubt.

Als dritter Träger der Seele soll hier das menschliche Herz erwähnt werden. In der Geschichte "Das kalte Herz" von Wilhelm Hauff kommt es wiederum zu einem Teufelspakt mit Tauschgeschäft. Der Teufel nimmt dem Kohlenmunk Peter sein Herz und tauscht es gegen einen kalten Stein ein. Ein klassischer Seelenverlust.

Wir sehen also, dass auch in der christlichen Kultur Seelendiebstahl und Seelenverlust tief verankert sind. Bis in die Literatur hinein haben solche "schamanisch verwurzelten Sichtweisen" überlebt: Im Roman "Das Bildnis des Dorian Gray" von Oscar Wilde wird die Seele des Protagonisten in ein Porträt gebannt, das nun an seiner statt altert, wodurch ihm ewige Jungend vergönnt scheint. Wir erkennen hierin eine Widerspieglung schamanischen Denkens, die Seele könne auf "leblose" Objekte übertragen werden und diese besetzen.

Am populärsten wird das Thema jedoch in der aktuellen Zeit in den Harry Potter-Romanen aufgegriffen: Lord Voldemort zerstückelt darin durch Morde seine eigene Seele und setzt die Seelenanteile in verschiedene Objekte (sogenannte Horkruxe) ein. Es kommt hier also ebenfalls zu einer Seelenübertragung u.a. auf ein Tier (seine Schlange Nagini), sowie (unabsichtlich) auf einen Menschen - Harry Potter -, der seit seiner Jugend sozusagen von einem Seelenteil des Dunklen Lords besessen ist, weshalb auch er wie sein Widersacher die Sprache der Schlangen sprechen kann. Wie im "Bildnis des Dorian Gray" wird durch den magischen Akt der Seelenübertragung dem Magier ewiges Leben zuteil. Auf sehr ähnliche Weise sehen Aborigines ihre Seele in einem Stein verankert und dadurch geschützt (solange der Djuringa nicht zerstört wird).

Wir sehen also, dass die Vorstellung einer einzigen unteilbaren Seele, die mit dem Bewusstsein und Wesen eines Menschen identisch ist, im Grunde selbst im Christentum nie vollständig vertreten war und dass Seelentausch, Seelenraub, Seelenverlust und andere Denkweisen schamanischer Kulturen bis in unsere Zeit hinein stets tief in der Kultur verankert geblieben sind.

Die Seele bleibt ein überaus komplexes Konzept, das auch der Vereinfachung in der Esoterik mühelos standhält.

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Bild © Gilda Villarreal/shutterstock

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