Im Nordwesten des Stadtzentrums München liegt das Schloss Nymphenburg – Die Burg der Nymphen. Die Kurfürstin Adelheid Henriette stammte aus dem Hause Savoyen. Sie erhielt das Schloss als Brautgeschenk. Das Haus Savoyen hatte der Legende nach von den Naturgeistern einen Ring geschenkt erhalten, der als Symbol für das Lehen ihres Landes galt. Sie verstanden sich als Verwalter der Landschaft, nicht als ihre Besitzer.
Der Park des Schlosses birgt viele Kraftorte, viele Geheimnisse und viel geomantisches Wissen. Manche sind verborgen und manche verbirgt ihre Offensichtlichkeit.
So ist es auch mit dem sogenannten Parterre, der ebenen Gartenfläche am Schloss, die noch mit ihrem barocken Figurenprogramm erhalten ist.
Das Gartenparterre diente Repräsentationszwecken, als Bühne für Feste, aber auch der „verborgenen Zurschaustellung" esoterischen Wissens. Mit Hilfe mythischer Bildwerke, hinter denen man das Wirken freier Naturkräfte wähnte, suchte man eben jene Kräfte auf magische Art zu beeinflussen. Dabei war die Platzwahl für diese Figuren von entscheidender Bedeutung.
Das Parterre des Nymphenburger Schlosses wird aus einem Wegkreuz gebildet. Es ist ein sogenanntes kosmisches Kreuz, das seine längere Achse dem Schloss im Osten zuwendet. Die Fontäne bildet das Zentrum der Anlage. So wirkt das Kreuz wie ein irisches Hochkreuz.
Das Kreuz als Symbol holt gleichsam die Unendlichkeit des Horizonts zur Mitte, die Göttlichkeit auf die Erde.
Die Urnen
An den vier Ecken des Gartenparterres stehen Urnen, als Memento mori, als Mahnung, den Tag zu nutzen und sich der immerwährenden Gegenwart des Jenseits präsent zu sein. Die Urnen holen symbolisch die Anlage mit dem Figurenprogramm aus dem Diesseits heraus, verweisen darauf, dass der Raum, der hier gerahmt wird, nicht von dieser Welt ist.
Auch die vier Zugänge zur Anlage, die vier Kreuzarme, sind von jeweils zwei Urnen flankiert. Sie bilden ein Portal, durch das jeder tritt, der sich im Parterre bewegen will. So betritt man quasi einen Nichtraum, ein mythisches Mandala, das durch die aufgestellten Götterfiguren geprägt wird.
Die Götterfiguren
12 Götter sind die Darsteller unseres magischen Erfahrungsraumes. Doch es sind nicht die 12 olympischen Götter. So fehlen z.B. Ares/Mars und Poseidon – obgleich man ihn leicht verwechseln mag. Auch Athene (Minerva) und Hephaistos (Vulcanus) sind nicht gegenwärtig. Dafür aber haben Kybele und Saturn (Chronos) mit im Pantheon Platz genommen.
Immer ein Gott und eine Göttin stehen bei einander. Ein ewiges Wechselspiel der Geschlechter, der Polarität von Yin und Yang.
Betritt man die Mittelachse von Osten, vom Schloss, her so begegnet man zunächst der Erdmutter Kybele zur Linken. Sie ist die Magna Mater, die Große Mutter, die MATERie. Ihr Kult war mit einer Initiation verbunden. Ihr an dieser Position im Osten zu begegnen, verweist auf den initiatorischen Charakter des Gartenparterres. Das Begehen ist ein Mysterium...
Ihr gegenüber steht der seine Kinder verschlingende Saturn, den die Griechen Chronos nannten. Er beendete das Urchaos und schuf die erste Ordnung auf Erden. Als Planet ist Saturn der Schwellenhüter. Zwischen Kybele und Saturn übertreten wir die Schwelle der elementaren Urkräfte.
Das zweite Götterpaar ist Jupiter (Zeus) und Juno (Hera). Mit Jupiter begegnen wir dem Göttervater, dem Regenten. Es sind die Kräfte der Ausdehnung und des Selbstbewusstseins: Sei Herrscher Deines Lebens!
Seine Schwester-Gattin Juno (Hera) wurde auch als Geburtsgöttin verehrt. Als Göttin der Berge und des Himmels ist sie im Christlichen durchaus mit der Gottesmutter Maria vergleichbar. Sie ist die Shekina, die weibliche Seite Gottes, die auch die göttliche Gegenwart in Dir entfacht.
Zwischen Selbstwerdung und Vergöttlichichung übertreten wir die Schwelle des Götterpaares.
Im Westen, der Richtung des Sonnenunterganges und des Todes stehen Pluto (Hades) und seine Gattin Prosperpina (Persephone).
Mit der Eule ist Prosperpina leicht mit Athene zu verwechseln. Doch Ihr Krafttier tritt uns hier als Nachttier entgegen, als ein Seelenvogel. Prosperpina ist die Herrin der Unterwelt.
Auch Ihr Gemahl Pluto (Hades) wäre mit dem Dreizack leicht als Poseidon zu verwechseln. Der dreiköpfige Hund Zerberus ihm zu Füßen aber belehrt uns, dass es hier um den Regenten des Jenseits geht.
So steht im Westen, der Richtung des Sonnenuntergangs die Schwelle zur Seelenwelt, zum Jenseits.
Die Mittelachse führt uns von den Urkräften über die Selbstentwicklung des Geistes in den Raum der Seele.
Auch die außen aufgestellten Götter können wir über einen Weg begehen, der uns innerhalb des Mandalas bewegen lässt.
Merkur (Hermes) auf der Südseite im Osten stärkt unseren Verstand und unsere Fähigkeit mit dem Gegenüber zu kommunizieren.
Venus (Aphrodite) lässt uns nach dem Ausgleich mit dem Gegenüber suchen, sowie der Hinwendung in der Liebe und dem Begehren.
Bacchus schließlich ist der römische Dionysos, der Gott der Ekstase, der seinem Gegenüber sowohl in der gegen- als auch der gleichgeschlechtlichen Liebe findet. Er ruft zum Rausch auf, zur Trance und zur inneren, spirituellen Vereinigung.
Die Südseite zeigt damit die inneren Kräfte.
Auf der Nordseite befinden sich die Kräfte des Unbewussten. Im Osten Diana (Artemis), die als weiblicher Gegenpart ihres Zwillings Apoll auch zur Mondgöttin Luna wird. Im Mittelalter galt sie als Herrin der Hexen. Die Kraft der Weiblichkeit.
Ihr folgt Sol (Apoll), die Sonne – das Bewusstsein. Gott der Prophetie, die das Unbewusste an das Licht holt. Als Herr der Musen ist er mit der Lyra ausgestattet.
Und schließlich im Westen der Nordseite kehren wir mit Ceres (Demeter) wieder zur Kraft der Erde zurück. Dreifache Göttin in den Manifestationen Jungfrau, Mutter und Alte Weise. Mond, Sonne und Erde bilden die drei Gestirne, die uns von außen prägen.
Bewege Dich doch einmal mit einer Frage durch dieses magische Mandala und achte darauf, zu welchen Göttern es Dich zieht. So wird das Parterre von Nymphenburg zu einer Orakelstätte, die Dir Hinweise auf Deinen Lebensweg gibt...
alle Bilder © Stefan Brönnle
Grafik Übersicht Parterre: Leif Brönnle
Umsetzung Film: Leif Brönnle
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