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Der rituelle Tod und die Erneuerung

19. Juli 2018 | Von: Stefan Brönnle | Kategorien: Mythen, Symbole, Rituale, Schamanismus | 0 Kommentare

Tarotkarte Der Tod

Eine der Urerfahrungen des Menschen, insbesondere durch die Betrachtung der Pflanzenwelt, ist das Werden und Vergehen. Neues Leben ist nicht möglich ohne den Tod des alten. Wir mögen dies in einer nach ewiger Jugend und ewigem wirtschaftlichem Wachstum strebenden Kultur gerne verdrängen, doch der Niedergang und der Tod sind fundamentale Bestandteile des Lebens, unterbindet man diese, unterbindet man auch jenes.

In einem Schöpfungsmythos aus Neuguinea wird dies sogar noch deutlicher ausgedrückt: Erst der Tod der mythischen Frau Hainuwele bewirkt die Schöpfung wie wir sie kennen. Die abgeschnittenen Gliedmaßen verwandelten sich in die Früchte, von denen der Mensch fortan lebte. Die Urschöpferin Mulua Satene bildet aufgrund des Todes von Hainuwele ein Tor. Alle Menschen, die nicht durch dieses Tor gehen konnten, verwandelten sich in die verschiedensten Tiere und die Geister der Natur, jene aber, die durch das Tor traten, wurden mit dem abgeschnittenen Arm der Hainuwele geschlagen und verwandelten sich in verschiedene Volksgruppen. Durch den Einzug des Todes in die Welt entsteht das Leben in seiner Fülle. Die Welt lebt vom Tod.

Dieser Grundgedanke machte die rituelle Erneuerung der Schöpfung durch den rituellen Tod des Königs in frühen Kulturen notwendig. Bei den am weißen Nil lebenden Schilluk war es noch bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts Brauch, in Zeitrhythmen von sieben Jahren den König rituell zu erdrosseln, wobei der rituelle Königsmord meist bei Schwarzmond, auf jeden Fall aber zwischen dem letzten und dem ersten Mondviertel in der Trockenzeit, vor dem ersten Regen vollzogen wurde. Ähnliche Traditionen gab es im Sudan, Angola, Simbabwe, Indien und Indonesien. Auch der Tod des keltischen Jahreskönigs folgt diesem mythologisch-rituellen Mord. Im 16. Jahrhundert war es in der südindischen Provinz Quiacare Brauch, dass der heilige König, nachdem der Planet Jupiter alle Tierkreisbilder durchlaufen hatte (12 Jahre), sich selbst hinrichtete, indem er sich selbst so viele Körperteile wie möglich abschnitt und schließlich verblutete.

Der sich selbst opfernde König ist dabei eine materielle Spiegelung des geopferten oder sich selbst opfernden Gottes: Odin hängt sich selbst an den Baum und opfert ein Auge, der ehemals syro-phönizischer Vegetationsgott Adonis wird durch Ares getötet. Sein Blut, das die Erde benetzt, lässt Blumen sprießen. Osiris wird durch seinen Bruder Seth geopfert und Dyonisos wurde von den Titanen in sieben Teile zerrissen. Stets erzeugt gerade dieser Tod das Leben. Die mittelamerikanische Gottheit Quetzalcoatl erzeugt ein Menschengeschlecht, indem er sein Glied abschneidet und das Blut der „Herrin des Schlangenschurzes" zu trinken gibt. Die Gestalt dieser Göttin wird dargestellt mit vielen abgeschnittenen Gliedern, die an ihrer Hüfte hängen. Auch Christus als Gottessohn opfert sich und wird bis heute rituell bei der Eucharistie verspeist, um das „spirituelle Leben" zu schenken.

In der Erfahrung der schamanischen Zerstückelung wird der Initiant durch die Geister und Gotteshelfer zerstückelt. Dieser Todesprozess erlaubt die Neugeburt. Wieder zusammengesetzt, ist der Initiant neu geboren ...und geheilt.

Wir müssen heute keine Ritualmorde begehen, um das rituelle Prinzip zu verstehen! Die Natur kann sich nur erneuern, indem das Alte stirbt. Die herabfallenden Blätter des Herbstes erzeugen den Humus, auf dem neue Pflanzen wachsen können. Der Tod des Tieres, wird zum Leben der Aasfresser, die ihrerseits den Kreislauf des Lebens weiter am Laufen halten. Unterbinden wir diesen Kreislauf, kommt er zum erliegen. Ökologisch erleben unsere Ackerböden ein „Burnout", weil keine Sterbezeit eingehalten, sondern beständig Leben produziert wird. Persönlich breitet sich das Burnout aus, weil auch hier der Schlaf immer weiter reduziert und das Ausatmen und Loslassen vernachlässigt wird. Spirituell-rituell sehnen wir uns zwar nach Heilung, wollen aber liebgewordene Gewohnheiten einfach nicht sterben lassen. Wir weigern uns aus der Jugend in das Alter zu schreiten und unterbinden den Alterungs- und Sterbeprozess durch kostspielige „Antiaging-Produkte". Doch ohne Sterben, ohne Tod, keine Heilung. Erst der Tod bringt wie im neuguineischen Mythos um Hainuwele das wirkliche Leben in die Welt. Wir sollten den Tod ehren, wir sollten ihn rituell vollziehen. Im schamanischen Ritual der Sterbehütte nimmt man Abschied, von allem, was einem lieb geworden ist – Objekten, Freunden, Verwandten – um in der Sterbehütte einen rituellen Tod zu erleben. Der „Sterbende" reinigt und segnet dadurch seine Prägungen und „Kleider" dieses Lebens, ein wunderbares Ritual der Transformation der Persona hin zu einer neuen Seelenessenz.

Circle of Soul – Der Kreis der Seele

Bild © Astrologer/fotolia.com

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