Wie die Zeit, hat auch der Raum seine Qualitäten. Sie gehen weit darüber hinaus, dass am Morgen die Sonne durch das Ostfenster auf Dein Bett scheint. Richtungen sind stets zugleich innere Ausrichtungen. Weltweit sind darum die Himmelsrichtungen mit symbolischen Qualitäten belegt. Diese finden Anwendung in den geomantischen Lehrsystemen des chinesischen Feng Shui, des indischen Vastu und der europäischen Geomantie. Auch in den verschiedensten schamanischen Traditionen, oder dem Wicca sind die Anrufungen der Himmelsrichtungen fester Bestandteil der Ritualarbeit.
[Siehe dazu auch unsere Vergleiche in der Beitragsreihe Richtungsqualitäten]
Durch das Einbeziehen der Himmelsrichtung wendet sich der Mensch – obgleich durch den Horizont definiert – der Unendlichkeit zu. Der unendliche Raum erhält dadurch einen Bezugspunkt, die innere Ausrichtung einen Fokus: Die Mitte.
In der Mitte treffen 6 (oder 10) Himmelsrichtungen aufeinander: Die 4 Haupt- (und 4 Zwischen-) Himmelsrichtungen, das Oben und das Unten. Aufgespannt zwischen der Unendlichkeit, dem Zenit und dem Nadir, verbindet sich der Mensch mit dem eigenen Wesenskern. Die heilige Mitte ist buchstäblich der zentrale Angelpunkt unseres Seins und damit auch unseres rituellen Wirkens.
Das Bild zeigt die Dachöffnung einer Jurte, die traditionelle Behausung der Nomaden in West- und Zentralasien. Die heilige Mitte und das achtspeichige Richtungsrad ist in der Wohnungsmitte präsent. Damit wird der Wohnraum selbst zum Kosmos, ein ritueller Akt von zentraler geomantischer Bedeutung! Denn die Mitte unserer „Dritten Haut", der Wohnraumgrenze, korrespondiert mit unserer eigenen Mitte, unserem Seelenkern. Die architektonische Einbindung der Unendlichkeit der Himmelsrichtungen und der heiligen Mitte lässt in der geomantischen Hausgestaltung den Wohnraum zum Seelenraum und damit zur rituell erschaffenen Präsenz unserer Seele selbst im Erdenkosmos werden. Raum und Mensch werden so eins. Was die Ritualarbeit im Moment des Rituals erschafft, erschafft die geomantische Arbeit dauerhaft und verbindet so Erdensphäre und Seelenraum.
Auf diese Weise entsteht die Weltenachse, die axis mundi, die in den Mythen der Kulturen als Weltenbaum, Weltensäule, oder Weltenberg präsent ist. Den heiligen Raum im Außen zu definieren, impliziert eine Definition des heiligen Raumes in uns. Innen- und Außenwelt werden eins. Auf diese Art präsent, lässt sich die Welt nicht zurückreduzieren auf ein bloßes materielles Gefüge. Wie sollten wir der Erde und ihren Wesen schaden, wenn sie doch lebendig erfahrbar in uns sind? Die Verbindung mit der Erde als heiligem Raum beginnt und endet in unserer Mitte. Wollen wir der Erde als heiligem Wesen begegnen, so beginnen wir, solche heiligen Räume zu erschaffen, Räume, in denen der lebendige Kosmos präsent ist und in dessen Zentrum die Weltenachse steht...
Veranstaltungstipp:
Die Kraft der 4 Richtungen
Der Omphalos
Geomantieausbildung Raum & Mensch
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