Noch bevor es gebaute Tempel gab, erlebte der Mensch den Raum der Landschaft. In den Elementen erfuhr er die Kraft des Göttlichen. Er nahm die Bewegungen des Himmelsgewölbes war, den Wechsel der Jahreszeiten der Erde, der mit ihnen in Übereinstimmung war. Er sah die Veränderungen der Pflanzen im Zyklus des Werdens und Vergehens und das Verhalten der Tiere. Und er erkannte den Wechsel des Wassers, die Zeiten, in denen mehr oder weniger Regen fiel, in denen Flüsse anschwollen und Tümpel austrockneten. Die Elemente der Landschaft wurden zu Symbolträgern des heiligen Lebens auf der Erde.
Diese Elemente sind die Pflanzen, das Wasser und der Stein. Heilige Orte zeichnen sich überproportional häufig durch die Kulmination dieser drei Elemente aus und sie fanden ihren Weg in die Symbolsprache der Tempel verschiedenster Kulturen. Beim Bau der ersten heiligen Räume waren Wasser, Stein und Pflanze präsent. Durch ihre, wenn auch später oft nur noch symbolische, Präsenz im sakralen Raum war sich der Mensch des Segens der Erde gewiss. Die Erde, die Große Göttin, musste auch präsent sein, wenn der Mensch sich eigene heilige Räume erschuf. So schrieb Seneca (Epist. 41,3):
"Erblickst Du einen Hain von dichtstehenden, alten, über die gewöhnliche Höhe aufragenden Bäumen, wo die Masse des über- und durcheinander sich ersteckenden Gezweiges den Anblick des Himmels ausschließt, dann gibt der riesige Baumwuchs, das Geheimnis des Ortes und die Bewunderung des offenen Felde so dichten und zusammenhängenden Schattendunkels dir das Gefühl von der Gegenwart einer Gottheit. Und wenn eine Grotte mit tief ausgefressenem Felsgestein sich in einen Berg hinein erstreckt, keine künstliche, sondern durch natürliche Ursachen zu solcher Weite ausgehöhlt, so wird sie dein Gemüt mit der Ahnung von etwas Höherem ergreifen. Wir verehren die Ursprünge großer Flüsse; wo ein gewaltiger Strom plötzlich aus dem Abgrund hervorbricht, stehen Altäre, heiße Quellen haben ihren Gottesdienst, und manche Seen werden wegen ihres dunklen oder unermeßlich tiefen Wassers für heilig gehalten."
Bild © Stefan Brönnle
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