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Magie und Religion

22. Nov. 2017 | Von: Stefan Brönnle | Kategorien: Schamanismus, Ethik, Magie, Religion | 0 Kommentare

Moses teilt das Wasser.

Im Christentum besteht eine tiefsitzende Abneigung gegen Magie. Viele Handlungen in christlichen Ritualen sind aus der inneren Distanz betrachet nichts anderes, als das, was man Andersgläubigen als „Magie" vorwirft, was natürlich ein Theologe streng verneinen würde. Offensichtlich wird dies in der Apostelgeschichte (8, 9ff). Dort forderte u.a. der Magier Simon Magus die Autorität der Apostel Petrus und Paulus heraus. Auch andere Quellen wie Origines und Irenäus von Lyon berichten von ihm.
Simon der Magier hatte offenbar eine ganze Menge an Fähigkeiten: „Er lässt Standbilder umhergehen und verbrennt nicht, wenn er sich auf Feuer wälzt. Manchmal fliegt er auch, und aus Steinen macht er Brote. Er wird zur Schlange, nimmt die Gestalt einer Ziege an, wird doppelgesichtig, verwandelt sich in Gold. Er öffnet verschlossene Türen, schmilzt Eisen, bei Gastmählern führt er Trugbilder von verschiedenstem Aussehen vor. Zu Hause erweckt er den Anschein, als würden seine Geräte von selbst zum Dienst herbeigebracht, ohne dass man die, die sie herbeibringen, sieht." (Pseudoklementinischen Homilien).

Während die christlichen Missionare durch Handauflegen den „Heiligen Geist" verbreiteten und Visionen beim Volk hervorriefen, wird von Simon dem Magier als „Täuscher" gesprochen, der mit Dämonen im Bunde war. „Und sie sahen alle auf ihn, beide, klein und groß, und sprachen: Der ist die Kraft Gottes, die da groß ist." (Apost. 8, 10). Hippolyt von Rom schreibt zu dem Vorfall in seinen „Widerlegung aller Häresien": „Dieser Simon, der Magie kundig, täuschte viele durch die Kunst des Thrasymedes, [...] und verübte Schlimmes mit Hilfe von Dämonen; er ging daran, sich selbst zum Gott zu machen; ein Schwindler, voller Narrheiten, den nach den Acta die Apostel überführten."
Die christlichen Kommentartoren sind sich offenbar selbst nicht ganz einig. Für die einen war die Magie des Simon Täuschung, für die anderen von Dämonen induziert, während die Kraft des Petrus von Gott kam. Eine solche Argumentation ist jedoch der typische Aufbau eines Feindbildes, da letztlich beide – religionswissenschaftlich betrachtet – magische Handlungen vollzogen.

Doch die Abneigung zur Magie im Christentum (wobei sachlich nie ganz geklärt ist, worin denn der Unterschied heidnischer Magie zur „christlichen Kraft" bestünde) ist im Grunde viel älter. Sie wird bereits im Alten Testament, also in der jüdischen Religion des monotheistischen Schöpfergottes offenbar. In 3. Mose 20 fordert Gott (salopp ausgedrückt) die „Ausrottung der Esoteriker": „Wenn eine Seele sich zu den Wahrsagern und Zeichendeutern wenden wird, daß sie ihnen nachfolgt, so will ich mein Antlitz wider dieselbe Seele setzen und will sie aus ihrem Volk ausrotten." Oder in 5. Mose 18,10: „...daß nicht jemand unter dir gefunden werde, der seinen Sohn oder seine Tochter durchs Feuer gehen lasse, oder ein Weissager oder Tagewähler oder der auf Vogelgeschrei achte oder ein Zauberer oder Beschwörer oder Wahrsager oder Zeichendeuter oder der die Toten frage. Denn wer solches tut, der ist dem HERRN ein Greuel"
Und doch ist es auch hier wieder so, dass z.B. die „Magie des Moses" gegenüber der „Magie der Zauberer des Pharaos" als höherwertig dargestellt wird. Wie anders als mit „Magie" sollte man solche Szenen beschreiben, wenn Moses einen Stab wirft, der sich in eine Schlange verwandelt? Wenn Moses mit seinem Stab den Nil schlägt, das Wasser verwandelt sich in Blut und die Fische sterben? Wenn Moses das Wasser teilt, usw.? (u.a. 2. Mose 7).

Theologisch wird meist argumentiert, dass im Christentum die Kraft von Gott komme, doch trifft dies – wenn man theologische Feindbilder beseitigt – auch auf die Kraft heidnischer Praktiker zu, lediglich das Vorstellungsbild des jeweiligen Gottes (oder Göttin) ist ein anderes. Sachlich-religionswissenschaftlich gesehen sind Magie und Wunder das Gleiche, mag sich der Theologe dabei die Haare raufen. Auch die Versuche, Magie mit Zwang gleichzusetzen, Wunder in der jüdisch-christlichen Religion aber mit einer „Bitte", ist so nicht haltbar. D.E. Aune zeigte in einer umfassenden Studie aus dem Jahre 1980 auf, dass sich in magischen Texten eine Fülle von Belegen fänden ließen, in denen demütige Bitten im Vordergrund stünden, während umgekehrt selbst das Christentum durchaus den Versuch der Manipulation überirdischer Kräfte kenne.

Bei genauer Betrachtung lässt sich somit feststellen, dass kein grundlegender Unterschied zwischen Magie in heidnischen Gemeinschaften und Wundern durch rituelle Glaubensakte im Christentum besteht. Eine Abwertung magischer Handlungen nicht-christlicher Gemeinschaften durch die Theologie bei gleichzeitiger Praktizierung z.B. der Transsubstantiation (Wesensverwandlung bei der Eucharistie) muss man daher im besten Sinne als heuchlerisch, im schlechtesten als egoistische, kalkulierte Feindbildpropaganda sehen.

Die Magie gehört in den verschiedensten Formen zur menschlichen Gemeinschaft seit Anbeginn der Menschwerdung hinzu. Der Begriff „zaubern" lässt sich ableiten vom althochdeutschen „zaubar" und ist verwandt mit dem mittelniederländischen „tover". Dieses Wort wiederum ist verbunden mit dem altenglischen „teafor", was „rote Farbe, Rötel" bedeutet. Rote Farbe gehörte mit zu den frühesten eingesetzten magischen Hilfsmitteln. Im Mittelpaläolithikum wurde mittels Hämatit gewonnener Rötelfarbe magische Körperbemalung praktiziert. Hämatitstücke wurden in den Grabbeigaben des Homo sapiens und des Neanderthalers gefunden. Im Jungpaläolithikum wurden mit aus Hämatit gewonnener Rötelfarbe Höhlenmalerein als Jagdzauber gefertigt.
Das „Röteln-teafor-tover-Zaubern" muss daher als kultureller Akt der Menschwerdung verstanden werden. Im umgangssprachlichen Gebrauch wiederum sei nach Apuleius von Madauros (125-170 n.Chr.) derjenige „Magier", der „im gemeinschaftlichen Gespräch mit den unsterblichen Göttern zu all dem, was er will, mit einer geradezu unglaublichen Macht seiner Beschwörungen befähigt ist" (De Magia 26,6).

Magie an sich kann so kaum etwas Verdammenswertes sein. Freilich gelten auch hier – wie in allen Formen des menschlichen Zusammenlebens – ethische Grundsätze, die unbedingt eingehalten werden sollten. Magie wie Mose einzusetzen, um Flüsse zu vergiften, gehört – zu mindest für mich – nicht zu diesen ethischen Grundsätzen.

Bild © fotolia

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