Alle Jahre wieder entzündet sich an Feiertagen ein heftiger Streit. An Halloween ist es besonders schlimm. Die einen erzürnen sich darüber, dass der Brauch bei uns nichts zu suchen habe, weil er aus den USA komme. Die anderen rechfertigen, dass er ja eigentlich keltisch und damit älter als das christliche Brauchtum sei, nicht ohne zu kritisieren, das Christentum habe die Bräuche gestohlen. Die dritte Gruppe echauffiert sich über den Kommerz des fremden Festes, übersieht aber den Kommerz hinter Weihnachten, Ostern und all den anderen Festtagen. Eine vierte Gruppe ärgert sich über die vielen ungesunden Süssigkeiten, die an Kinder verteilt werden, über die Farbstoffe, Zucker, Stabilisatoren und auch sie vergisst, dass es streng genommen an Weihnachten viel schlimmer zugeht. Schließlich gibt es die, die sich beklagen, dass die wirklich „echten" alten Bräuche nicht gepflegt werden.
Bei all der Aufregung um neue und alte Bräuche wird vergessen, dass letztlich jeder Brauch irgendwann mal „neu" war. 1419 sollen Mitglieder der Bäckerschaft aus Freiburg im Breisgau einen Weihnachtsbaum mit Lebkuchen, Äpfeln, Früchten und Nüssen behängt haben. Ostereier als christliches Brauchtum sind erstmals im 13. Jahrhundert erwähnt. Der Brauch um das Färben der Eier wanderte wahrscheinlich von Armenien über Rußland zu uns ein. Büttenreden zur Fasnacht gibt es seit dem 19. Jahrhundert, der Adventskranz kam 1833 in unser Brauchtum. Und natürlich kann man für jeden der Bräuche ältere Zeugnisse aus älteren und anderen Kulturen und zu anderen Zeiten finden.
Bei all der Aufregung wird vergessen, dass Bräuche entstehen, weil ein Bedürfnis dafür da ist und vergehen, wenn kein Seelenbedarf mehr besteht. Sie sind im beständigen Wandel. Niemand und nichts wird Bräuche aufhalten, egal wie logisch-rational man interpretiert, aufklärt, oder emotional klagt. Bräuche sind da, weil der Mensch sie BRAUCHT.
Den Tag der Deutschen Einheit begeht bis auf offizielle politische Veranstaltungen wohl niemand besonders feierlich, der 1. August in der Schweiz dagegen wird mit Lampionumzügen, Feuern und Feuerwerk begangen. Dabei spielt es eigentlich noch nicht einmal eine Rolle, ob die Teilnehmer überhaupt wissen, warum Ostereier versteckt, Christbäume illuminiert, Weihnachtsmann oder Christkind bevorzugt werden. Interessanterweise zeigt gerade die Aufregung, wie wichtig im Grunde Bräuche für unsere Seele sind. Man kann an Bräuchen teilnehmen oder sie meiden, man kann sie uminterpretieren und eigene rituelle Wege gehen, aufhalten wird sie niemand.
Bildkompos. © Stefan Brönnle (Grundlagen Fotolia)
Kommentare
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Super geschrieben. Danke dafür. Wäre prima, wenn Sie eine Verlinkung zu Facebook in die Webseite einstellen können.
Danke und Grüße,
Silke Slootz