Kopfbedeckungen haben neben Ihrer Schutzfunktion meist auch eine rituelle Symbolik. Viele der heute rituell genutzten Kopfbedeckungen lassen sich in ihrer Form auf einen Grundarchetyp zurückführen. Das wesentliche Grundprinzip der rituellen Kopfbedeckung ist – neben dem Statussymbol -, dass der Träger in eine bestimmte Kraft tritt, ja zu dieser wird. Insofern lässt sich der sakrale Kopfschmuck z.B. mit dem Tragen einer Maske vergleichen. Die „phrygische Mütze" z.B., die bei den indogermarischen Völkern getragen wurde, u.a. eben bei den Phrygern, war ein gegerbter Stier-Hodensack mit umliegender Fellpartie. Bekanntestes Beispiel ist der persische Gott Mithras, der mit phrygischer Mütze abgebildet wird. Aber auch Orpheus, Adonis und andere göttliche Heroen trugen die phrygische Mütze. Im Mithraskult wies diese Kopfbedeckung den Träger als in die höchsten Kultgeheimnisse eingeweiht aus. Mit dem Aufsetzen der Mütze wurde dem Träger die Kraft des Tieres (hier dem Stier) zuteil. Die Kraft geht dabei weit über die reine Kraft des physischen Tieres hinaus, sie beinhaltete auch und vor allem die spirituell-mythische Ebene, so z.B. die des Sternbildes Stier usw.
Die Nutzung ritueller Kopfbedeckungen ist interkulturell. In der Abbildung sehen wir australische Aborigines bei einem Mittenritual. Bei der Erschaffung der heiligen Mitte tragen die drei Männer Kopfbedeckungen, die sie selbst zur heiligen Mitte oder zur axis mundi (Weltenachse) werden lassen. Aus dieser inneren Verbundenheit mit der mythischen Mitte der Welt und der Weltenachse heraus sind sie befähigt, selbst eine Mitte zu erschaffen. Weltenachse und Erdkreis sind verbunden. Dieses Grundprinzip finden wir in vielen sakralen Kopfbedeckungen wieder.
„Nabelsteine", die die sakrale Mitte der Welt definierten (Omphalos) gab es nicht nur in Delphi, auch aus Babylon und Ägypten z.B. sind sehr ähnliche Formen bekannt: Ein halbovaler Stein, der spitz oder rund nach oben zuläuft. Diese Grundform ist in vielen sakral-rituellen Kopfbedeckungen wiederzuerkennen:
Die oberägyptische sogenannte „weiße Krone" zeigt den Pharao als Mitte der Welt. Setzt der Mensch diesen Kopfschmuck auf, tritt er in diese Kraft, der Pharao wird zur sakralen Mitte und damit zum Gottkönig.
In einer Kombination aus Omphalosform und phrygischer Mütze trägt der etruskische Seher und Ritualmeister (Augur) seinen rituellen Kopfschmuck (links frühere Form, rechts spätere Form). Auch er tritt ins Zentrum der Welt, aus der sich die Welt gebiert. Mit der göttlichen Kraft verbunden ist er befähigt die Zeichen der Natur zu deuten, den Willen der Götter zu erkennen und neue Orte – wie z.B. Städte – zu gründen.
Die Papstkrone (Tiara) ist ein Musterbeispiel omphaloider Mittensymbolik. Sie ist umgeben von drei Ringen, die ursprünglich für die drei schamanischen Welten und Wirklichkeiten standen. Die Mitte der Welt, der Omphalos, durchdringt alle Wirklichkeitsebenen: Obere, mittlere, untere Welt, bzw. Körper, Seele und Geist, christlich gedeutet als die heilige Dreifaltigkeit Vater, Sohn und heiliger Geist. Der Träger ist somit sowohl selbst Weltenmitte als auch Weltenachse.
Die Krone ist abgeleitet von corona = Kranz, letztlich auch ein Symbol der Umhegung und der geistigen Verbindung. Die abgebildete österreichische Kaiserkrone ist eine sogenannte Mitrakrone. Sie nimmt wiederum Bezug auf den sakralen Kopfschmuck der Mitra, wie ihn Papst und Bischöfe tragen. Deutlich erkennbar ist der Kranz, die Umhegung, die omphaloide Grundform und der sakrale Mittenstein mit dem Kreuz (Vierteilung der Welt). Durch die Grundform der Mitra kommt hier noch eine weitere Symbolik hinzu. Erkennbar ist die heilige Symbolik der Yoni, der Vulva. Mit rotem Samt gefüllt ist diese Mandorlaform Symbol des Weltenportals und der Schöpfermacht.
Der heute oft auf eine Helloween-Verkleidung reduzierte „Hexenhut", wie auch die Hüte der Zauberer greifen ebenfalls die Grundform der heiligen Mitte auf: Der spitz zulaufende Kernbereich ist ein Symbol der Weltenachse, die breite Krempe steht für den Horizont, den Erdkreis. Beide zusammen lassen die Trägerin im schöpferischen Zentrum der Welt sein, aus dem heraus die magische Handlung möglich ist.
Bilder:
Pharao, Tiara, Mitrakrone, Augur, Omphalos, phrygische Mütze © wikipedia
Historisches Hexenbild gmeinfrei
Schema Hexenhut © Stefan Brönnle
Kommentare