Wir sind umgeben von Symbolen, die wir kaum hinterfragen, aber die dennoch Wirkung haben. Symbole stellen unmittelbare Zugänge dar: Mythisch ausgedrückt, in die „Paradieswelt“, die „Ideenwelt“ Platos, bzw. die Welt der Archetypen; Psychologisch betrachtet in unser Unbewusstes.
>Europa steckt in der Krise< lesen wir dieser Tage oft, daher lohnt sich eine Betrachtung des Symbols der Europäischen Union. 1955 bereits diskutierte und entwarf man Vorlagen für ein solches Emblem – damals noch für den Europarat. Die ersten Entwürfe zeigten häufig ein Kreuz, ähnlich wie die skandinavischen Flaggen. Diese wurden in der
Regel von den Sozialisten als zu christlich gebunden verworfen. Interessanterweise ist die gewählte heutige Fassung ein noch viel stärkeres religiöses Motiv. Der Belgier Paul Lévi, der der Kranz aus 12 Sternen entwarf, entlehnte diesen der Darstellung einer Muttergottes mit dem Sternenkranz. Doch was hat es mit dieser auf sich?
Die Darstellung der Heiligen Maria, deren Haupt von 12 Sternen umringt ist, nimmt Bezug auf die Offenbarung des Johannes (12,1):
"Dann erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt."
Obwohl in dieser Vision nicht von Maria die Rede ist, wird die „Frau“ meist im christlichen Kontext als diese ausgedeutet. Die Zwölfzahl der Sterne ist ein Hinweis auf die zwölf Stämme Israels (Gen 37,9) und somit auf das auserwählte Volk Gottes. Der Kranz als Symbol des Erfolges und des Triumphes signalisiert die Unbesiegbarkeit der Frau.
Die EU setzt sich somit mit der Wahl eines solchen Symbols als Vertretung des „Auserwählten Volkes“ ein. Noch viel wichtiger aber ist, dass die Offenbarung des Johannes und speziell diese Passage eine Endzeitvision darstellt, weshalb man auch von der „Apokalypse des Johannes“ spricht. Im Text geht dem Erscheinen der >Frau mit dem Strahlenkranz< das Erscheinen der Bundeslade voraus: „Der Tempel Gottes im Himmel wurde geöffnet, und in Seinem Tempel wurde die Lade seines Bundes sichtbar.“ Indem die Europäische Union sich das Symbol des Sternenkranzes zu eigen machte, setzt sie sich zeitgleich – bewusst oder unbewusst – in die Endzeit. Es ist kein Symbol des Neubeginns oder Aufbruchs, sondern des Zusammenbruchs und der Auflösung. Zudem sind die geschilderten Szenen des Kampfes zwischen dem Drachen und der Frau mit dem Sternenkranz alles andere als friedlich.
Symbole wirken, ob man sich ihrer ganzen Bedeutung nun bewusst war oder nicht. Insofern ist die Frage evident, ob und in wie weit die aktuelle „Krise“ und die mit ihr eng verbundenen sozialen und politischen Konflikte nicht in der Geburt der EU mit angelegt waren und sind?!
Bild oben © Stefan Brönnle
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