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Die Mystik der Dunkelheit

21. Dez. 2016 | Von: Stefan Brönnle | Kategorien: Mythen, Wahrnehmung, Meditation | 0 Kommentare

kleines Licht in Dunkelheit

Das Licht findet in vielen Religionen Verehrung. Es ist fester Bestandteil zahlreicher spiritueller Traditionen und findet sich als Kerze oder offenes Feuer in den Tempeln verschiedenster Religionen. Gerade weil wir in einer Kultur leben, die auf Religionen der Lichtmystik wie das Judentum oder das Christentum aufbaut, gerät der Aspekt der Dunkelheit, der Finsternis, gerne ins Vergessen oder wird gar bewusst verdrängt. Hier wird die Dunkelheit zu einem Widersacher des Lichtes und damit zu einer Kraft des Bösen. Licht und Finsternis stehen sich in ihrer Dualität gegenüber. Doch war dies nicht immer so und so findet die Dunkelheit auch in vielen spirituellen Traditionen nicht nur einen neutralen, sondern manchmal sogar einen hochverehrten Platz.

Im Weltentstehungsmythos der Maori besteht zunächst das Nichts: „Te Kore - das absolute Nichts; Te Kore-te-whiwbia - das Nichts, in dem nichts bestand; Te Kore-te-rawea - das Nichts, in dem nichts geschah“. Doch das „Etwas“, das auf das Nichts folgt, ist nicht das Licht, es ist die Dunkelheit:

„Und dann war die Dunkelheit
Te Po - die unendliche Dunkelheit
Te Po-nui - die große unendlich weite Nacht
Te Po-roa - die unendlich lange Nacht
Te Po-te-kitea - die Nacht, in der nichts wahrnehmbar war
Te Po-uriuri - die tiefschwarze Nacht
Es herrschte Dunkelheit von der ersten bis zur zehnten Nacht
von Te Po-tuatahi bis Te Po-tuangahuru“

Die Dunkelheit wird zur Trägerin der Schöpfung. Aus ihr heraus gebiert sich das Sein:

„Und aus der Finsternis kamen
Te Rapunga - das Suchende, Strebende
Te Kukune - das Wachsende, Werdende
Te Pupuke - das Schwellende, sich Weitende
Te Hihiri - das Kraftvolle, Energische
Te Mahara - das Denken und Sinnen
Te Hinengaro - die Seele
Te Manako - das Sehnen“

Wenn wir uns in Zeiten der Dunkelheit befinden, wie zu Zeiten der Nacht oder im Jahreslauf der Wintersonnwende, die gerade in nördlichen Breiten, von der Dunkelheit voll und ganz durchdrungen ist, so ist das Sehnen nach dem Licht verständlich. Und doch enthält die Dunkelheit ihre ganz eigene Kraft.

Die Dunkelheit ist der Raum der Geburt. Es ist die Kraft des Potenzials und des Segens. Die Hindus verehren diese Kraft als Göttin. Es ist die Göttin der Dunkelheit: „Maha Kālī ist die umformende Kraft der Göttlichkeit, die Kraft, die Vielfalt zu Einheit auflöst.“ Kālī bedeutet „die Schwarze, Dunkle“, abgeleitet aber auch die Begriffe „Tod und Zeit“. Im Shaktakult wird Kālī als Verkörperung des absoluten Bewusstseins betrachtet und verehrt. Auch hier entstehen aus der Dunkelheit zunächst die Zeit und dann das Licht. Die Dunkelheit ist die Gebärerin des Lichtes und damit des Bewusstseins. Kālī spendet (in diesem Seinsaspekt) Schutz und Segen, kann aber auch den Tod bringen.

Auch in der vorbuddhistischen Bön-Religion Tibets wird das Dunkelretreat, der mehrtägige Rückzug in absolute Dunkelheit, als „Königsweg der Meditation“ bezeichnet. Ohne jegliche äußeren Reize melden sich verstärkt die innere Stimme und die Visionen. In der äußeren Dunkelheit wird das innere Licht, die Erkenntnis und Erleuchtung geboren. So ist die Dunkelheit eine Urkraft, die die Spiritualität sich zu entfalten hilft.

Im Mithraskult zog man sich in dunkle Höhlen unter der Erde zurück, um „das innere Licht“ zu erwecken. Die Erde spendet hier die Dunkelheit und letztlich auch das Bewusstsein. Pythagoras hatte ein Haus, indem er einen dunklen unterirdischen Raum einrichtete, um sich dahin zurückzuziehen und Erkenntnisse zu sammeln.

Selbst der flämische Theologe Jan van Ruysbroec lobt im 14.Jahrhundert die Dunkelheit als Werkzeug Gottes: „Wenn die Liebe uns über alle Dinge hinausgetragen hat in die göttliche Dunkelheit, dann sind wir dort verwandelt durch das Ewige Wort als ein Bild des Vaters“.

Wir haben heute die Dunkelheit verdrängt. Elektrisches Licht erhellt bis tief in die Nacht unsere Häuser und bis zum Morgengrauen die Straßen. Wir verlieren die Dunkelheit und damit die Möglichkeit das darin gespeicherte Bewusstsein zu finden. Die Dunkelheit ist nicht das böse Reich der Finsternis, sie vertritt die polare Welt der inneren Bilder, des Unbewussten, das im Schlaf in uns aufsteigt und damit letztlich die tiefe Weisheit des vom Verstand Unberührten.

Aus der polaren Kraft von Tag und Nacht, von Sommer und Winter, von Verstand und Unbewusstem, von Licht und Dunkelheit, wird der Mensch zum Schöpferwesen. Der chinesische P´an ku ist eine Weltgottheit, die von den (indigenen) Miao-Yao-Völkern Südchinas verehrt wurde. Er ist der Sohn der polaren Urkräfte Yin und Yang. Dargestellt wird er mit Sonne und Mond in den Händen, ein Weltenschöpfer. P´an ku wird zum Vorbild des kosmischen Menschen, der aus Licht UND Dunkelheit, aus Yang und Yin, die Welt erschafft.

Darum lohnt es sich in der dunklen Zeit, die Dunkelheit nicht stetig durch Licht zu vertreiben, sondern sich Zeiten zu gönnen, in denen die Dunkelheit wirken kann. Aus ihr heraus kann sich eine ungeahnte Kraft in uns Bahn brechen, die den Schöpfungsimpuls des Neuen in sich trägt.

Bild © Stefan Brönnle

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