Am 15. August feiert die katholische Kirche „Maria Himmelfahrt“. Das Fest wurde im 5. nachchristlichen Jahrhundert durch Cyrill von Alexandrien eingeführt. Auch die Ostkirche hat diesen Tag zum Feiertag Mariens erkoren. Angeblich ist es der Sterbetag und – was mythologisch viel wichtiger ist – der Tag der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel. Maria wird damit zur Himmelskönigin.
Wir sind gewohnt, Mutter Erde den Vater Himmel gegenüberzustellen. Doch dies war keinesfalls immer so. Reisen wir zurück zu den Anfängen der Menschheitsgeschichte. Soweit wir das überhaupt sagen können, herrschte in den ersten Kulten wohl eine Philosophie vor, die die Religionswissenschaft als Urmonotheismus bezeichnet. Im Zentrum der Verehrung stand die Große Göttin, die Magna Mater. Sie stand nicht nur für die Erde selbst, sondern den ganzen erfassbaren Raum. Auch der Himmel, der Kosmos, gehörten dazu und wurden wohl als Teil der Körpers der Göttin verstanden. Relikte dieser Vorstellung begegnen uns viele tausend Jahre später in der ägyptischen Göttin Nut, die mit ihrem Körper das Himmelsgewölbe bildet. Einige Ägyptologen sehen in ihr die Verehrung der Milchstraße als weibliche Göttlichkeit. Ihr Lachen war der Donner, ihre Tränen der Regen. Abends nahm sie die Sonne mit dem Mund auf. Diese durchwanderte ihren Körper, um am Morgen neu geboren zu werden. Nuts Gliedmaßen berührten die Erde in den vier Himmelsrichtungen. Nut war das Himmelsgewölbe.
Um den 15. August geht heute das Sternbild Jungfrau in den Morgenstunden im Westen unter. Der Stern, der die Ähre bezeichnet, die die Jungfrau in den Armen hält, ist Spika. Während der Hochblüte Ägyptens stand das Sternbild im August noch hoch am Himmel. Die Jungfrau war die Himmelskönigin. In der Folge wurde der „Geburtstag“ der Isis am 15. August gefeiert.
Auch andere Kulturen kennen diese Verbindung des Zeitraums mit einer Göttin, die für die Fruchtbarkeit des Getreides (Spika) vom Himmel aus verantwortlich ist: In Japan wird im Juli das Fest der Himmels-Sonnen-Göttin Amaterasu gefeiert. Als sie eines Tages verschwunden war, war auch die Fruchtbarkeit dahin. Die Azteken feierten im Juli/August das Fest der Göttin Huixtocihu, die durch den Regen die Fruchtbarkeit bringt. Die Römer feierten um den 15. August das Fest der Göttin Diana und am 13. August wurden die Camenae, die weissagenden Quellnymphen, geehrt. Die Slawen verehrten in Litauen am 15. August die fruchtbarkeitsbringende Göttin Zemyna.
Maria Himmelfahrt wurzelt daher sowohl vom Datum, also auch von der mit ihr verbundenen Mythologie in der Verehrung des Kosmisch-Weiblichen, das auch für den Regen und damit die Fruchtbarkeit verantwortlich ist. Im Brauchtum sind die nun folgenden 30 Tage – der Frauendreißiger – bis Mitte September verbunden mit Kräutersammeln, da diese jetzt die stärkste (Heil-)Kraft haben sollen.
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