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Erde und Mensch: Das Märchen Rotkäppchen

05. Aug. 2016 | Von: Stefan Brönnle | Kategorien: Mythen, Symbole, Märchen, Astronomie | 2 Kommentare

Wolf vor Sonne

Märchen sind Mythen mit einer tiefen Symbolik. Sie greifen zurück auf kulturelle seelische Erfahrungsschätze. Viele dieser Seelenerfahrungen reichen dabei weit in die grundlegende Beziehung von Erde und Mensch hinein. In dieser Reihe wollen wir dem geomantischen Gehalt einiger Märchen nachspüren.

Wer das Märchen nicht kennt und noch einmal lesen möchte, findet es hier: Rotkäppchen

>Rotkäppchen und der böse Wolf< gehört mit zu den bekanntesten Volksmärchen überhaupt und existiert – vor allem in Österreich und Ungarn („Piroschka“) – in unzähligen Fassungen. Meist wird es als ein Symbol des Gewaltaktes an dem heranwachsenden Mädchen verstanden. Meines Erachtens gehört Rotkäppchen zu den klassisch-astronomischen Mythen.

Der starke Zusammenhang des Wolfes mit dem Mond begegnet uns in vielen Kontexten: Das Anheulen des Mondes durch den Wolf, die Verwandlung des Menschen in einen Werwolf zu Vollmond und natürlich auch die germanischen Mythen: Der Wolf Hati, der den Mond verschlingt und er Wolf Skalli, der die Sonne verschlingen will. Auch im Märchen „Der Wolf und die sieben Geißlein“ ist der Wolf ein Symbol des Mondes, der das Siebengestirn „verschlingt“. Die lunare Symbolik des Wolfes ist so offensichtlich, dass wir hier nicht erneut ausführlich darauf eingehen müssen.

Wer ist dann aber „Rotkäppchen“?

Zunächst begegnet uns Rotkäppchen ja in einer weiblichen Dreiheit: Die Mutter, die Rotkäppchen ausschickt, und die Großmutter, zu der Rotkäppchen gelangen möchte. Die Junge (Rotkäppchen), die Mutter und die Alte (Großmutter) – ein klassisches Dreigespann, das eine Brücke schlägt zu den drei Göttinnen. Alle drei wurden stets auch mit Sonne, Erde und Mond in Verbindung gebracht. Die Junge, Strahlende, Schöne, ist dabei ein Symbol der Sonne. Mit seiner roten Kappe, die praktisch in allen Märchenfassungen fester Bestandteil ist (Im Ungarischen „Piroschka“, von ungarisch piros = rot) gleicht Rotkäppchen dem Rot der auf- bzw. untergehenden Sonne. Da die Mutter Rotkäppchen ermahnt „Und wenn du in ihre Stube kommst, so vergiss nicht guten Morgen zu sagen!“, können wir davon ausgehen, dass es die aufgehende Sonne ist. Der Anfang des Tages stand stets ebenso wie der Jahresanfang in Beziehung zur Jungen Göttin. Rotkäppchen trägt Wein und Kuchen mit sich – Ähren und Trauben waren ein Attribut alter Gottinnendarstellungen. Auch das Sternbild Jungfrau, das zur Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche sein astrologisches Ende findet wurde früher stets mit Trauben und Ähren dargestellt. Für die Griechen stellte es Demeter dar, die mit Kore und Persephone das Dreigespann wiedergab. Es ist übrigens das einzige weibliche der 12 Tierkreiszeichen! Astronomisch ist Jungfrau im Frühling erkennbar. Da die Sterne nur schwach leuchten, ist meist nur der hellste Stern – Spica – erkennbar. Als Getreideähre bildhaft dargestellt, symbolisiert Spica den Frühling und damit die Junge Göttin.

Das „Haus der Großmutter“

Wir haben es also offensichtlich einerseits mit einer alten dreigestaltigen Göttinnensymbolik zu tun, andererseits mit einem astronomischen Ereignis zwischen Sonne und Mond. Wie im astronomischen Verlauf (siehe auch „Hase und Igel“) ist der Mond schneller als die Sonne: Der Wolf läuft voraus und ist lange vor Rotkäppchen beim „Haus der Großmutter“. Wenn die „Mutter“ als Göttinnenaspekt für die Erde steht und Rotkäppchen für die Sonne, so steht die Großmutter mit dem Mond in Beziehung – ebenso wie der Wolf. Der Wolf verschlingt die Großmutter zuerst und damit sich selbst. Astronomisch haben wir daher Schwarzmond: Der Mond hat „sich selbst verschlungen“. Zudem befindet sich der Wolf nun im Haus der Großmutter. Hier werden sich Wolf und Rotkäppchen – Mond und Sonne – treffen. Astronomisch tritt uns dieses Ereignis im Mondknoten entgegen. Die beiden Mondknoten (nördlicher und südlicher) – auch „Drachenkopf“ und „Drachenschwanz“ genannt – sind die Kreuzungspunkte der (scheinbaren) Sonnenbahn und der Mondbahn. Das „Haus der Großmutter“, in dem sich Wolf und Rotkäppchen treffen, stellt daher den Mondknoten dar.

Das Ereignis

Der Wolf hat die Großmutter verschlungen, es ist Schwarzmond, darum ist der Mond unsichtbar und als Wolf für Rotkäppchen nicht zu erkennen. Er liegt als Großmutter getarnt im Bett. Wenn nun die Sonne (Rotkäppchen) ebenfalls das Haus der Großmutter (und damit den Mondknoten) betritt, begegnet der Schwarzmond der Sonne…und verschlingt sie. Wir kennen dieses Ereignis als SONNENFINSTERNIS.
Eine Sonnenfinsternis findet immer an den Mondknoten und bei Schwarzmond statt. Naturgegebener maßen stellt bis heute eine Sonnenfinsternis ein emotional bewegendes Ereignis dar. Mythologisch (Germanen) verschlingt der Wolf Skalli die Sonnengöttin. Doch die mythologische Tiefe wird erst verständlich, wenn wir uns noch einmal die Dreiheit der Göttin vergegenwärtigen: Die Mutter ist die „rote Göttin“, die Göttin der Fruchtbarkeit und der Erde; Die Großmutter ist die „schwarze Göttin“, die Wandlungsgöttin und Göttin der Transformation. Ihr wird auch der sich wandelnde Mond zugeordnet und Schwarzmond, der unsichtbare Mond, besitzt die größte Wandlungskraft! Rotkäppchen ist die Sonne und die junge Göttin. Die „weiße Göttin“ ist zugleich die kosmische Kraft, der geistige Impuls.
Bei einer Sonnenfinsternis stehen alle drei Kräfte in einer Linie, sie bilden eine Konjunktion! Weiße, rote und schwarze Göttin wirken zusammen. Nun wird der Bewusstseinsaspekt, der kosmische Aspekt „verschlungen“, gewandelt….und neu geboren!

Die Wiedergeburt

Wir erinnern uns: Rotkäppchen bleibt nicht für immer verschlungen. Sie wird aus dem Bauch des Wolfes wieder hervorgeholt: >Wie er ein paar Schnitte getan hatte, da sah er das rote Käppchen leuchten, und noch ein paar Schnitte, da sprang das Mädchen heraus und rief: "Ach, wie war ich erschrocken, wie war's so dunkel in dem Wolf seinem Leib!"< Das geistig-kosmische Prinzip wurde gewandelt. Daher stellt eine Sonnenfinsternis ein zentrales geistiges Ereignis dar, das mythologisch gesehen, geistige Kräfte erneuert und transformiert.

Im Jahr 2015 hatten wir 2 Sonnenfinsternisse, die nahe an den Äquinoktien (Tagundnachtgleichen) lagen. Wir konnten leibhaftig miterleben, wie der Wolf das Rotkäppchen verschlang und dadurch die geistigen Kräfte wandelte: Zweimal!

Bild © fotolia

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Kommentare

Louis HibschLouis Hibsch

Sehr interessante Interpretation...Wichtig ist natürlich auch der "Retter", derjenige, dessen Zuhilfe eine Synthese überhaupt erst ermöglicht und somit die wichtigste Rolle hat, in diesem Märchen...- Und wie so oft erst hintergründig, beim Nachsinnen wahrgenommen wird...ich erinnere an die meditativen Übungen des Sehens der Zwischenräume oder der Wahrnehmung der Atempausen...L.M.Hibsch

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