»Und Gott der Herr pflanzte einen Garten Eden gegen Morgen, und setzte den Menschen drein, den er gemacht hatte. Und Gott der Herr ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, lustig anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen ...«
1. Buch Moses 8, 9
Der erste Kontakt des Menschen mit der Erde, der Materie, geschah gemäß der Bibel in einem Garten, dem Garten Eden, dem Paradies. Das alte persische Wort paiori daeza, von dem sich unser "Paradies" ableitet, bedeutet »schöner eingezäunter Garten«. Der Garten Eden wird als abgegrenzt von der »wilden Natur«, als ein eigenständiger heiliger Bezirk beschrieben. Er ist von Geist durchdrungen und wird über den Baum der Erkenntnis zum Erkenntniswerkzeug des Menschen. Durch ihn, durch den Garten, erkennt er sich selbst als das, was er ist: nackt und von der Natur getrennt.
Doch im Garten erfährt der Mensch auch den Wunsch Gottes, die Erde zu heiligen, die Natur zu erkennen und zu benennen und sie zu gestalten.
Der Mensch gestaltet im Garten ein Stück Natur nach seinem Willen so, dass er sich darin wie in einem Spiegel selbst erkennt. Dieser Drang nach Selbsterkenntnis und Selbstverwirklichung ist es wohl letztlich, der den Menschen über alle Kulturen und Zeiten hinweg bis heute dazu trieb, Gärten anzulegen und zu gestalten. Mal folgte er dazu einem inneren Ideal, einer Vision und versuchte die Natur diesem Ideal anzupassen, mal lauschte er der Natur und suchte eine Gestaltung, die ihr gemäß erschien. Immer aber stand der Wunsch dahinter, ein Stück geistdurchdrungener Natur zu schaffen, ein Stück Erde, welches das Paradies repräsentiert oder mit diesem in Einklang steht. Er nutzte dazu die Kraft der Symbolik, Sympathiemagie, die Erkenntnis der energetischen Gesetze oder auch einfach nur seinen Instinkt.
Ähnlich wie das abendländische Denken versuchte auch der Daoismus über die Gestaltung der Natur in Form von Gärten sich diesem mythischen Urzustand, der Einheit des Menschen mit der Natur, anzunähern. Nach der chinesischen Legende leben die »Unsterblichen« auf Inseln weit draußen im Meer, die wie die sagenumwobene keltische Insel Avalon von Nebeln umhüllt sind. Wem es gelingt, dorthin zu gelangen, der wird in die Reihen der »Unsterblichen«, der Heiligen, aufgenommen. Noch heute besteht der ideale chinesische Garten zu zwei Dritteln aus Wasserflächen. Denn das Wasser gilt als Speicher der Lebenskraft Qi, jenes »göttlichen Odems«, der die Natur und den Menschen gleichermaßen durchdringt und ewiges Leben gibt.
Was in der chinesischen Gartenkunst der Daoismus mit der aus ihm entsprungenen Lehre des Feng Shui war, das war in Japan der Zen-Buddhismus. Aus dieser Schule der Achtsamkeit entsprangen viele Künste, die sich mit der Gestaltung des Raums befassen. So ist der Zen-Garten ein Ort der Stille und Meditation oder, wenn man so will, reiner Geist in eine Raumgestaltung gebracht. Zwar entsprechen sich westliches Paradiesdenken und fernöstliche Bewusstseinsschulung nicht unbedingt, doch der Wunsch, den Garten zum Tor zu machen, welches das Hier und Jetzt mit der mystischen allgegenwärtigen Ewigkeit verbindet, ist beiden gemein. So strebt der Zen Garten danach, die vollkommene Harmonie von Yin und Yang zu erschaffen. Erde (Yang) und Wasser (Yin) sollen ausgewogen sein. Noch wichtiger aber sind Symbole der Dauerhaftigkeit, der Ewigkeit. So ist in den klassischen so genannten Trockenen Gärten das wandelhafte Wasser durch den dauerhaften Stein ersetzt.
Im Hinduismus ging man dagegen den Weg, das Göttlich Geistige mit Hilfe eines rituellen Aktes auf die Erde zu bannen. Urbild ist ein Mandala das Vastu Purusha , das in seiner vielgeteilten Form dem Raum Funktion und Nutzung zuweist.
Ausgehend vom heiligen Zentrum dem Nabel der Purusha-Figur nimmt die Heiligkeit mehr und mehr ab. Die Grenzen der einzelnen Teilquadrate des Mandalas (Padas) werden dabei als Energiezonen verstanden, die in der Gartenkunst als Wege gestaltet werden. So entsteht ein rasterförmig angelegter Garten nicht unähnlich dem europäischen Garten des Barock , der das Geistige materiell werden lässt, den Geist in Raum und Zeit fixiert. Auch hierin zeigt sich der Wunsch, Geist und Materie zu verbinden und in der Gestaltung erlebbar werden zu lassen.
Buchtipp: Der Paradiesgarten
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