Die Legende um „Nessie“, den Wasserdrachen aus der größten Süßwasserfläche der schottischen Highlands – Loch Ness (Gälisch „See des Ungeheuers“) – ist bereits viele hundert Jahre alt. Im Jahr 565 soll ein Schüler des irischen Mönches und Missionars Columban den See durchschwommen haben. Da tauchte der Drache auf „mit lautem Gebrüll und aufgerissenem Maul“. Am Ufer standen die Menschen vor Schrecken starr, doch der heilige Columban eilte herbei, schlug das Kreuz, rief den Almmächtigen an und rief: „Wage es nicht, näher zu kommen oder diesem Mann etwas anzutun, weiche!“ Da tauchte Nessie ab und soll seither friedlich im Loch Ness existieren, ohne Schaden anzurichten. Oft soll es aber gesehen worden sein.
In den 1930er Jahren machte der von den Anwohnern liebevoll Nessie getaufte Wasserdrache erneut Schlagzeilen. Dr. Robert Wilson veröffentlichte eine Fotografie, die die Silhouette eines langhalsigen Tieres zeigte, das an einen Plesiosaurus erinnert. Fast 60 Jahre lang wurde das Foto von vielen Menschen für authentisch gehalten und als Beweis für den Wasserdrachen gesehen. 1994 gab jedoch der Schiegersohn von Dr. Wilson zu, dass es sich tatsächlich um eine Attrappe gehandelt haben soll, die aus großer Entfernung aufgenommen wurde.
Zentrum des Nessie-Tourismus ist Drumnadrochit. Die Sage um den Wasserdrachen und die immer wieder auftauchenden Augenzeugen haben Loch Ness zum wohl berühmtesten See Schottlands gemacht. Viele Theorien kursieren, die die Sichtungen erklären wollen: Einige sehen in Nessie tatsächlich einen überlebenden Saurier, andere halten den Drachen für einen riesigen Stör, von denen es tatsächlich in den Flüssen der Umgebung gewaltige Exemplare gibt, und schließlich werden die Sichtungen auch mit Wasserstrudeln erklärt, die durch Beben des vulkanischen Seebodens ausgelöst werden. Durch den See zieht sich die Verwerfungszone der Great Glen Fault, die zu den größten des Landes zählt. Der italienische Geologe Luigi Piccardi erklärt mit den seismischen Aktivitäten auch die oft vernommenen merkwürdigen „Brülllaute“: Es handle sich dabei um das Grollen des Bebens. Im Original der Legende um Columban sei der Drache "cum ingenti fremitu" aufgetaucht: mit starkem Schütteln. Danach verschwand das Untier "tremefacta" - erzitternd - in den Fluten. Ein mögliches Indiz für die Kraft der Erde, die hier im See erlebbar wird.
Der Drache als Symbol der Urkräfte der Erde ist ein altes mythologisches Bild. Bereits die Pikten sollen dieser Kraft am Loch Ness im Bild eines Wasserpferdes gehuldigt haben: Ein Ort an dem die Drachenkraft der Erde lebt.
Bild © Michael Rosskothen @ Fotolia
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