Eine germanische Göttin „Nerthus“ wird von Tacitus berichtet. In „Germania“ beschreibt Tacitus eine mit „Nerthus“ benannte Göttin, die er der Erde selbst (Terra Mater) gleichsetzt. Auf einer „Insel im Ozean“, bei der es sich möglicherweise um die Ostseeinsel Rügen handelt (siehe unten), sollen germanische Stämme (Avionen, Anglier, Variner, Eudosen, Suardonen, Sueben und Nuitonen) gemeinsam friedlich einen kultischen Umzug begangen haben. Dies spricht für ein übergeordnetes Heiligtum. Der Umzug gleicht heutigen Flurumgängen im katholischen Brauch, wodurch Fruchtbarkeit und Segen das Land erfassen sollen.
Lange wurde spekuliert, was der Name „Nerthus“ bedeuten könnte. Ableitungen wurden gewagt vom indogermanischen „ner“ (= erschaffende Kraft), vom griechischen „nerteroi“ (= aus der Unterwelt), oder vom keltischen „nerthos“ (= Kraft).
Inzwischen wird allerdings der Name, den Tacitus jener – offenbar weiblichen – Gottheit gab, angezweifelt. In verschiedenen handschriftlichen Kopien der „Germania“ variiert der Name: Nerthum, Neithum, Verthum, Hertha. Heute geht man meist von „Hertha“ als eigentlichem Namen der Göttin aus. Der Name lässt sich wiederum zurückführen auf das urgermanische „ertha“, althochdeutsch „erda“, was schlicht „Erde“ bedeutet – und diesen Bezug hatte ja bereits Tacitus selbst gegeben.
Demnach wäre Hertha eine von zahlreichen Stämmen der Nordgermanen verehrte typische Erdgöttin. So gilt die Stubbenkammer auf Rügen u.a. als eine dem Schwarzen Aspekt der Göttin geweihte Kulthöhle, nahe der sich eine alte slawische Wallanlage, „Herthaburg“ genannt, befindet. Von diesem Ort gibt es folgende Sage:
"Die Herthaburg nahe bei Stubbenkammer war in heidnischen Zeiten der Wohnsitz der Göttin Hertha. Diese war den Frauen stets wohlgesinnt und segnete ihre Fluren und Äcker mit Früchten. Wenn aber die Zeit der Ernte da war, dann fuhr die Göttin auf einem mit Kühen bespannten Wagen durch das Land, und überall, wohin sie kam, wurde sie mit Jubel begrüßt. Eine Priesterin, welcher die Hertha bei ihrem Umzuge begleitete, führte dieselbe, wenn sie sich an dem Anblick der Frauen gesättigt hatte, in ihr Heiligtum zurück. Alsdann badete sich die Göttin in dem benachbarten Herthasee.“
Gemeinsam mit örtlichen Sagen, Namensableitung und dem Bericht Tacitus erscheint Hertha als eine klassische Muttergöttin, die sich wohl aus matrifokaler Zeit in die Verehrung bei den germanischen Stämmen „hineingerettet“ hat. Sie verleiht dem Land Fruchtbarkeit und wurde mit zentralem Fokus „auf einer Ostseeinsel“ (vermutlich rügen) verehrt. Die Göttin soll mit einer Gerte aus Baldrian auf ihrem mit Hopfen gezäumten Hirsch (oder Hindin) geritten sein. Auch diese Pflanzenbezüge stehen in enger kultischer Beziehung zur Großen Göttin.
Ortsnamensbezüge
Ortsnamen, die mittel- oder unmittelbar mit „Hertha-“ in Beziehung stehen wie die Herthaburg, der Herthasee auf Rügen, oder die Herthabuche.
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