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Geomantie der Kulturen: Vastu

22. Aug. 2015 | Von: Stefan Brönnle | Kategorien: Geomantie | 0 Kommentare

Indischer Tempel

Im Hinduismus und vor allem im Buddhismus versuchte man dem Rad des Karma, dem Schicksal der ewigen Wiedergeburt, zu entfliehen. Der Mensch erhebt sich hier über die Gesetze der Natur. Mittels der Macht seines Geistes versucht er sein Schicksal selbst zu prägen und nicht, es hinzunehmen oder sich einzufügen. Dementsprechend ist auch die Zielsetzung und Methode der indischen Geomantie, Vastu Vidya, eine vollkommen andere als z.B. die des Feng Shui: Ein Priester beurteilt den Ort aufgrund von Farbe, Geruch und Geschmack des Bodens, der Topografie und des Verhaltens von Tieren und Pflanzen. Danach pflügt er an einem sorgfältig von Astrologen bestimmten Zeitpunkt, nachdem er sich durch heilige Waschungen rituell gereinigt hat, eine Furche von Ost nach West. Eine Gruppe von Shudras (einer indischen Kaste) pflügt den Rest und sät verschiedene Getreidearten aus.

Kaum ist das Getreide reif, tauchen erneut Priester auf. Sie führen die heiligen Kühe der Gemeinde mit sich. Die fressen das Getreide ab und weihen mit ihrem Atem den Boden. Anschließend wird ein Mandala - das Vastu Purusha - aufgezeichnet. Es markiert die Umrisse des zukünftigen Tempels. Die auf den Boden gezeichneten Linien sind fortan heilige Linien; ihre Kreuzungspunkte so göttlich, dass sie unbebaut bleiben. Weitere Daten, die in Zahlen und Proportionen verschlüsselt werden, fließen in die Architektur der Anlage selbst ein: der Planet, unter dessen Einwirkung der Tempel steht; die Himmelsrichtung, auf die er ausgerichtet wird, die Kaste des Stifters auch; sogar das gewünschte Alter, das der Tempel erreichen soll!

Alles ist in der Vastu Vidya, der indischen Geomantie, ritualisiert. Sie folgt einem durch den menschlichen Geist vorgeprägten Gesetz. Und die Linien, die man zeichnet, werden zu Energielinien. Hier wird versucht, das Göttliche in den Ort zu prägen. Eine indische Legende drückt dies wie folgt aus:



Vor langer Zeit gab es irgendetwas Existierendes, nicht definiert durch einen Namen, unbekannt in seiner Form. Es blockierte den Himmel und die Erde. Als die Götter es sahen, packten sie es und pressten es auf den Boden, mit dem Gesicht nach unten. So wie sie es zu Boden warfen, halten die Götter es. Brahma ließ es von den Göttern besetzen und nannte es Vastu Purusha.



Im indischen Vastu Vidya geht es folglich um die geistige Prägung des Ortes, die >Fixierung des Transzendenten.<





Bild © Thinkstock

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