„Omphalos“ ist – nach dem >Nabelstein< in Delphi benannt – ein geomantischer Terminus technicus für die geistig-seelische, bzw. energetische Mitte – z.B. einer Stadt. Stets ist die Mitte verbunden mit der Vorstellung von der Weltachse (axis mundi), einem Himmel, Erde und Unterwelt verbindenden Kanal. Der etruskische Augur suchte den "Umbilicus" (Omphalos) zu finden, der als Grube später das Zentrum der Stadt bilden sollte. Im Mythos von der Gründung Roms hebt Romulus den "Mundus" aus. Hierhinein werden von seinen Gefährten Erdschollen ihres Heimatortes geworfen. Dieser Mundus war die Kultstätte der Di Inferi, der Götter der Unterwelt. Ursprünglich wurde sie dreimal im Jahr als Tor zu den Göttern (also als axis mundi) geöffnet, später blieb sie, einmal versiegelt, bis zum Ende der Stadt verschlossen.
Solchen Urmythen und frühen Riten folgend, wurde der Omphalos dabei in der Stadt über die Zeiten hinweg unterschiedlich markiert. Bekannt sind die Steine. So wurde die Mitte Nimwegens durch einen "Blauen Stein" markiert. Ebenso in Köln, Leiden und Mainz. In Horn gab es einen "Roten Stein" und in Worms den "Schwarzen Stein" als Fixierung der heiligen Mitte. Im frühen Mittelalter kennzeichneten oft Marktkreuze die heiligen Zentren, die häufig im Kreuzungsbereich der Hauptachsen (Cardo und Decumanus) lagen. Häufig, wie z.B. im Falle Wasserburgs am Inn wurde die geistig-seelische Mitte auch durch einen Stadtturm architektonisch umgesetzt, der auch gestalterisch die Weltenachse (axis mundi) mit aufgriff.
Der Omphalos einer Stadt repräsentierte ihre heilige Mitte und versinnbildlichte die Verbindung der Stadt in die Erdentiefe und in den Himmel. Somit stellt ein Stadtomphalos wenn man so will auch das Machtzentrum der Stadt dar, über das man Einfluss auf die Bewohner der Stadt ausüben konnte.
Am Beispiel der Stadt Erding wird dies sehr offensichtlich: Beinahe klassisch wird der Omphalos der wittelsbacherischen Stadtneugründung des 13. Jahrhunderts durch den um 1300 errichteten Stadtturm, dem ältesten Gebäude der Stadt, architektonisch gefasst. Dieser steht frei – fünf Meter vor der Stadtpfarrkirche St. Johann entfernt – als eine Himmel und Erde verbindende Weltenachse (axis mundi) im Kreuzungsbereich der beiden Hauptstraßenzüge: Einer langgezogenen, etwa 400 Meter langen Nord-Süd-Achse, der „Langen Zeile“, und in West-Ost-Richtung dem Straßenzug „Landshuter Straße“. Die Mitte wird vom Schrannenplatz und dem Stadtturm eingenommen.
1866 allerdings wurde der Stadtturm und damit der Omphalos von der sogenannten Schrannenhalle umbaut und somit buchstäblich besetzt (im Bild unten gut erkennbar). Der >Markt<, also die Wirtschaft übernahm die Macht über das seelische Zentrum der Stadt. Diese hochsymbolische Besetzung eines heiligen Zentrums wird heute noch einmal getoppt, denn das Gebäude beherbergt heute eine Bank – die Stadtsparkasse Erding. Symbolisch-mythologisch betrachtet, hat damit die Bank, also das Finanzwesen die Macht über die Seelenmitte der Stadt (und damit seiner Bewohner übernommen). Ein geradezu klassisches Beispiel einer machtgeomantischen Okkupation!
Foto: Wikipedia
Stadtplan: Bayern-Atlas
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