In schamanischen und animistischen Kulturen ist die Vorstellung eines Geistes, eines Bewusstseins oder Wesens, das das ganze Land erfüllt, ja, sozusagen den Genius der Landschaft selbst darstellt, sehr verbreitet. In unserer kausal-materialistischen Kultur, in der wir bereits Schwierigkeiten haben, individuell belebten Wesen - wie z.B. einem Baum – eine höhere Wesenhaftigkeit zuzusprechen, erscheint uns ein solcher Gedanke schwierig bis absurd. Dabei sprechen Rudimente dieser Weltsicht in Sagen und Mythen eine deutliche Sprache und weisen uns darauf hin, dass auch bei uns in Europa vor nicht allzu langer Zeit der Geist des Landes respektiert und geehrt wurde.
Eine dieser Sagengestalten ist der Geist des Riesengebirges, das nicht von ungefähr diesen Namen trägt. Unzählige Sagen der Gegend beschreiben das Verhältnis der Menschen zum Genius ihrer Landschaft – „Rübezahl“ genannt - wie z.B. diese: Vom RÜBEZAHL
Den Genius, der auf Tschechisch „Krakonoš“ heißt, erbost die Bezeichnung „Rübezahl“ den Sagen nach selbst sehr. Sein respektvoller Titel lautete vielmehr „Herr der Berge“. Als spezieller Fokuspunkt diente Ihm die Schneekoppe (höchste Erhebung des Riesengebirges). Hier, unweit des Riesengrundes, trägt ein Ort mit großem Pflanzenartenreichtum bis heute den Namen „Rübezahls Gärtchen“.
Vermutlich wurde der Spottname „Rübezahl“ aus dem Althochdeutschen und Tschechischen abgeleitet und ist eine Verballhornung von „Hriob Zagel“ – „Rauer Sturm“. Dieser Beiname zeigte, dass mit dem Berggeist nicht zu spaßen war, worauf auch viele Legenden eingehen. Musäus schreibt bereits 1783 über den Genius des Riesengebirges: „Rübezahl, sollt ihr wissen, ist geartet wie ein Kraftgenie, launisch, ungestüm, sonderbar, bengelhaft, roh, unbescheiden, stolz, eitel, wankelmütig, heute der wärmste Freund, morgen fremd und kalt; … schalkhaft und bieder, störrisch und beugsam …“
Die ältesten schriftlichen Belege über den Berggeist stammen aus dem 16. Jahrhundert, wobei die mündliche Weitergabe vermutlich deutlich früher einsetzte. Gesammelt und aufgeschrieben wurden die Rübezahl-Sagen erstmals von dem deutschen Autor Johannes Praetorius in dessen Daemonologia Rubinzalii Silesii (1662–1665) sowie Satyrus Etymologicus.
So haben wir in den zahlreichen Rübezahl-Sagen ein wunderbares Zeugnis für die Vorstellung der Durchgeistigung und Beseelung der Natur, wie sie auch bei uns einstmals weit verbreitet war.
Tipp: In unserer kostenfreien Veranstaltung „Erde und Mensch“ am 14.3.2015 wenden wir uns rituell dem >Geist der Landschaft< zu
Bild © Stefan Brönnle
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