Hoch über Sils bei Thusis in der Schweiz liegt eine einzigartige Fundstätte von weit über 200 Felsgravuren. Sie befinden sich am Rande eines Abgrundes und in der Nähe eines uralten Saumpfades, der wohl lange dazu diente die unwegsame Viamala-Schlucht zu umgehen und der zu den Pässen Splügen und San Bernardino führt.
Über den Sinn der Zeichnungen diskutiert man ebenso wie über ihr Alter. Da bei Feldgravuren keine Radiocarbonmethode angewandt werden kann, ist man auf Indizien angewiesen. Die häufigen radial ausstrahlenden Ringe sind vermutlich die ältesten. Sie erinnern ein wenig an die Zeichnungen der Aborigines, die in der dortigen Kultur häufig für kultische Quellen stehen. Neben diesen „Cup-and-Ring“-Markierungen gibt es aber auch Kreuze, Pferde, Schlangenlinien und andere Ritzungen. Ihr Alter wird auf die Bronzezeit (ca. 1500 v.Chr.) geschätzt. Die Gravuren könnten aber auch deutlich älter sein.
Eine pferdartige Gestalt trägt etwas auf dem Rücken. Die einen deuten es als Packtier, die anderen als kultisches Pferd, das die Sonne auf dem Rücken trägt. Da man vom Standort der Felsgravuren aus nach Norden blickt, ist eine astronomisch-kultische Deutung eher unwahrscheinlich, wenn auch nicht unmöglich. Sinnvoll erscheint, dass es sich um eine Art Wegheiligtum handelte, an denen man sich bei „den Göttern“ für die gesunde Nutzung des Saumpfades bedankte. Die wegartigen Linien zwischen verschiedenen Zeichnungen sprechen dafür.
Der Platz besitzt über das künstlerisch-archäologisches Interesse hinaus einen stark wahrnehmbaren Landschafts- und Erdbezug. Man erfährt hier eher verschiedene Orte als Eingebunden in einen göttlichen Landschaftsraum.
Die Bilder entlang des Abgrundes besitzen teilweise eine starke psychoaktive Kraft, die leicht in einen traumartigen Bewusstseinszustand führt, durch den zumindest der mögliche damalige Bewusstseinszustand erlebbar wird.
Bilder © Stefan Brönnle
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