In der Frühzeit der menschlichen Kultur wurde die Magna Mater, die Große Mutter, verehrt. Menschheitsentwicklung und Individualentwicklung ähneln sich hier. Das, was der Säugling in der pränatalen Phase und auch in den ersten Lebenswochen erfährt, ist die Mutter. Alles kommt von ihr, alles geht zu ihr. Ebenso herrschte in den frühen Jahren des Menschseins (je nach geographischer Lage bis ca. 2500-1500 v.Chr.) nach Auffassung vieler Forscher eine Art Urmonotheismus vor, der weiblich geprägt war. Wir hatten die Tempel Maltas (etwa 3600 v.Chr.) bereits als Beispiele sakraler Architektur aus dieser Epoche kennengelernt.
Doch wie der christliche Monotheismus in späteren Jahren das Dogma der Dreifaltigkeit ersann (eigentlich auch nur eine patriarchale Spiegelung matriarchaler Philosophien), so kam es auch im Matriarchat zur Teilung der Großen Göttin in drei Aspekte, die unterschiedliche Namen trugen. Abstrakt werden sie meist mit drei Farben wiedergegeben, die wir schon kennengelernt haben: Die schwarze, die weiße und die rote Göttin. Die weiße Göttin verkörpert den Erstimpuls der Schöpfung, das am ehesten kosmisch zu nennende Prinzip. Die rote Göttin ist ein Symbol der Lebenskraft, des Eros und der Fruchtbarkeit; und die schwarze Göttin ist eine Verkörperung der Wandlungskraft, des “Stirb und Werde” und der Transformation.
Auch diese “weibliche Trinität” fand im Christentum eine Anpassung. Wir erkennen die weibliche Dreiheit in den “Drei heiligen Madeln” wieder: Barbara (Weiß), Margarethe (Rot) und Katharina (Schwarz). Diese drei Heiligen sind an ihren Attributen erkennbar. Barbara hat v.a. den Turm als Attribut, Margarethe den Drachen und Katharina das Rad.
Aus der Bedeutungsfülle dieser drei Symbole möchte ich an dieser Stelle lediglich die herausgreifen, die für das Thema der Sakralarchitektur relevant sind. Der Turm symbolisiert das Prinzip der Weltenachse, der axis mundi. Der Drache (oder die Schlange) vertritt die Horizontale, das Alignement oder die (Horizontal-)Achse. Und das Rad symbolisiert die Mitte (Nabe) und die sie umgebende Peripherie (Speichen und Felge, bzw. Reifen). Mitte, Weltenachse und Horizontalachse sind die drei Urprinzipien des Sakralbaues, die nicht nur im Christentum Anwendung fanden. Sie verkörpern symbolisch die Magna Mater, das Urgöttliche. Sie sind auf einer höheren Abstraktionsebene wiederum der “Körper Gottes”, denn in ihnen wird die Dreifaltigkeit präsent.
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Bilder © Stefan Brönnle
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