Die Interpretation von Richtungsqualitäten ist eine typische geomantische Kunstfertigkeit. Wir finden sie im chinesischen Feng Shui ebenso wie im indischen Vastu, der Disciplina Etrusca, oder der christlichen Sakralarchitektur. Jede Himmelsrichtung hat ihre eigene seelische Wirksamkeit. Mit ihr verbunden sind in unserer seelischen Erfahrung unmittelbar auch Zeitqualitäten:
Der Südwesten ist die Himmelsrichtung der späten Nachmittagssonne. Im Jahreskreis entspricht ihr der Hoch-bis Spätsommer. Im keltischen Jahreskreis wurde hier das Schnitterfest Lugnasadh gefeiert, an das sich dann das christliche Erntedank anlehnt. Es ist eine Zeit der Fülle der Erde und ihrer Früchte im Jahreskreis und der Hitze im sommerlichen Tageslauf.
Im Feng Shui wird der Südwesten von der Wandlungsphase Erde und dem Trigramm „Kun“/ „die Erde“ geprägt. Es ist das Prinzip des Empfangenden. Seine Eigenschaften sind “hingebend, aufnehmend und nährend”. Hier spiegelt sich deutlich das nährende Prinzip der Fülle dieser Jahreszeit wieder, sowie die dadurch ausgedrückte Präsenz des Erdhaften. In der erweiterten Interpretation steht der Südwesten auch für die Partnerschaft.
Im indischen Vastu dagegen wird der Südwesten in der Regel nicht so günstig gesehen: Hier würden sich „negative Energien“ anhäufen oder einströmen. Dies wird verständlich bei der Betrachtung des subtropischen Klimas, in dem das Vastu entstanden ist: Große Fensterflächen im Südwesten anzubringen hieße der stärksten Hitze Tür und Tor zu öffnen. Daher empfiehlt das Vastu im Südwesten des Grundstücks einen Schutzwall aufzuschütten und keine Fenster anzulegen oder diese zumindest klein zu halten. Dennoch verlegt auch das Vastu das Element Erde in den Südwesten. Je nach Herleitung wird daher die Empfehlung im Südwesten große Steine und schwere Gegenstände zu positionieren auch anders abgeleitet: Das träge und dichte Element Erde des Südwestens wird durch maximales Gewicht und damit Verdichtung positiv genutzt.
Tatsächlich ist auch in eher indianisch orientierten Richtungszuordnungen mit dem Südwesten eine Warnung verbunden: Hier werden das Unbewusste, Träume und Symbole verortet. Eine zu offene Gestaltung kann, so die Argumentation, dazu führen, dass man vom Unbewussten überschwemmt wird.
Im Raumhorsokop liegt im Südwesten das Sternzeichen Löwe. Einerseits ist der Löwe geradezu ein Prototyp männlicher Dominanz, was dem Prinzip der Nährung des Südwestens wie z.B. im Feng Shui zu widersprechen scheint, doch steht das Zeichen Löwe auch für den Geburtsaspekt, für Sexualität und Kreativität und Fruchtbarkeit. Auch das Seelenhafte der indianischen Deutung ist durchaus im Löwen enthalten, liegt er doch im zweiten Quadranten, der sich auf das Seelische bezieht. Das astrologische Symbol für den Löwen leitet sich von der Schlange ab, die sich neu gebiert. Somit spiegelt der Löwe die männliche Seite des Schöpfungsprozesses wider, während z.B. das Trigramm Kun, für die weibliche Seite steht, oder wie es dann im Feng Shui heißt: Partnerschaft
Die Richtungsqualitäten des Südwestens in Kürze:
Erde, Fruchtbarkeit, Fülle und Nährung, Schöpferkraft aus dem Unbewussten
Bild © Stefan Brönnle
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