Immer wieder begegnen mir Menschen, die Symbole eindeutig definieren möchten: „Dies bedeutet das!“ Dies geschieht aus dem Urbedürfnis nach kausalen Zusammenhängen heraus, die Sicherheit geben. Nur leider lassen sich gerade Symbole eben nicht kausal ableiten: Symbole sind Symbole – nicht gut oder richtig, bzw. böse und falsch.
Ich möchte dies hier anhand zweier kleiner aber typischer Beispiele aufzeigen:
1. „Die >88< ist ein Glückssymbol“
Es ist richtig ….und auch wieder nicht. Symbole (in diesem Falle Zahlensymbole) sind immer auch mit einer „Auflage“, einem „Onlay“ belegt. Dies geschieht durch den Kontext, in dem ein Symbol kulturell steht.
In China, oder allgemein im asiatischen Kulturkreis, ist die Zahl 8 tatsächlich sehr positiv besetzt. Dies hat verschiedene Ursachen. Eine von ihnen ist das Bagua, die „8 Zeichen“ (Trigramme), die häufig in einem Achteck angeordnet und teilweise mit einem Spiegel in der Mitte versehen sind. So konnte ich selbst einmal einen chinesischen Horrorfilm sehen, in dem Vampire mit einem Baguaspiegel verscheucht wurden wie in unseren Filmen mit dem Kreuz. Die Verdoppelung der 8 zur 88 ist tatsächlich in China sehr begehrt. In Hongkong werden hohe Summen für den Erhalt von Telefonnummern, Kontonummern oder Kfz-Nummernschilder mit der 88 bezahlt.
Allerdings ist das nicht die einzige Bedeutung der 88 in China. Aktuell wird „88“ in chinesischen Chats als Kürzel für „byebye“ genutzt, da die Zahl 8 im Chinesischen >bai< ausgesprochen wird, also „baibai“ = „byebye“ = 88. Wir erleben hier, wie es im Kontakt mit der englischen Sprache und einer genutzten Technologie zu einer allmählichen Bedeutungsverschiebung des Symbols 88 kommt. Wird dieser Kontext gestärkt, könnte er eines Tages die ursprüngliche positive Bedeutung in China übertreffen, dann hieße „88“ allgemein „Abschied nehmen“ und das wäre kein besonders >gutes< Symbol für ein Bankkonto, auf das man sein Geld einzahlt….
In Deutschland wiederum hat die 88 gar keine so >glückliche< Bedeutung: Der achte Buchstabe des Alphabets ist das >H<. Demnach steht 88 für HH, nein, nicht etwa „Hansestadt Hamburg“, sondern für den Hitlergruß („Heil Hitler“). Deshalb findet sich die 88 häufig im Kontext rechtsextremer Symbole und Zeichen. Dennoch ist die Verwendung der „88“ nach einem Urteil des OLG Brandenburg (2005) „nicht unbedingt strafbar“. Es kommt eben auf den Gesamtkontext an….
Ob die 88 nun für Sie ein Glückssymbol ist oder nicht, müssen sie selbst entscheiden.
2. „Das Pentagramm ist schwarzmagisch“
Die Auffassung, dass das Pentagramm ein negatives, „schwarzmagisches“ Symbol sei, begegnet einem häufig in der „Esoterikszene“, dagegen wird das Symbol bei Anhängern des „Wicca“ durchaus geschätzt. Die Einordnung als negatives Symbol ist eindeutig christlich bedingt, da das Symbol als Schutzsymbol u.a. in der Ritualmagie Anwendung gefunden hat – der berühmte „Drudenfuß“ – welche in der katholischen Kirche geschmäht wurde.
Dabei findet sich das Pentagramm durchaus im christlich-kirchlichen Bereich, wie z.B. in Fenstern romanischer und gotischer Kathedralen wieder.
Eine Variation von dieser Symbol-Interpretation ist, dass das Pentagramm negativ wirke, „wenn es auf dem Kopf steht“, also wenn die Spitze nach unten weist. Diese Auffassung beruht darauf, dass das Pentagramm wiederum mit dem Körper eines Menschen assoziiert wird: Kopf und ausgestreckte Arme und Beine. Hier weist die „Spitze“ des Pentagramms folglich nach oben. Umgekehrt, so wird dann interpretiert, würde ein Pentagramm mit der Spitze nach unten „auf dem Kopf stehen“ und dies sei „ungut“, „energetisch schädlich“, „böse“….
Auch hier lassen sich viele Beispiele zeigen – u.a. ebenfalls aus dem kirchlichen Bereich – die im Kontext überhaupt nicht negativ sind. Sicherlich haben Symbole auch eine energetische Formwirkung und diese mag „anders“ sein, wenn ein Symbol gedreht wird, „negativ“ und „positiv“ im wertenden Sinne ist aber eine persönliche Interpretation, kulturell lässt sich diese These nicht halten. Im Gegenteil, in der symbolischen Geometrie zeigt sich, dass ein Pentagramm als Fraktal gesehen werden kann: Stets kann ein weiteres Pentagramm in das innere Pentagon des Symbols gezeichnet werden, wobei es beständig seine Ausrichtung ändert.
Wir merken, wie auch beim Pentagramm der kulturelle Kontext (christlich, wicca, ritualmagisch, symbol-geometrisch,…) eine Rolle spielt. Egal wohin die Spitze weist, das Pentagramm ist weder gut noch böse.
„Ließe man mir nur genug Zeit, so könnte ich jedes Symbol aus jedem anderen beliebigen Symbol ableiten“
Marco Bischof
Tatsächlich sind Symbole in einem Bedeutungsnetzwerk mit einander verbunden, sie lassen sich eigentlich gar nicht getrennt betrachten. Eine eindeutige wertende Belegung eines Symbols hätte damit Auswirkungen auf alle anderen Symbole.
Nichtsdestotrotz ist es bei der Verwendung von Symbolen entscheidend, in welchem Kontext sie stehen und in welchem Kontext der Nutzer, bzw. Betrachter steht. So ist auch die Swastika (Hakenkreuz) an eine Hauswand gesprüht ein politisches Bekenntnis rechtsradikaler Art, in Indien und Tibet dagegen ist das Symbol ein Glücks-, Erleuchtungs- und Sonnensymbol --- und zwar in BEIDEN Drehrichtungen!
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